Parteien haben unterschiedliche Rezepte, um zu helfen
Preisschub wird zum politischen Zankapfel

Während der Bundesrat die hohe Teuerung für verkraftbar hält, sind im Parlament scharfe Debatten programmiert. In der Herbstsession kommen gleich mehrere Vorstösse zur Kaufkraft-Problematik aufs Tapet.
Publiziert: 08.09.2022 um 00:08 Uhr
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Aktualisiert: 08.09.2022 um 09:25 Uhr
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Das Leben in der Schweiz wird teurer.
Foto: Keystone
Ruedi Studer und Sermîn Faki

Hohe Energiepreise, Prämienschock, Inflation. Den Menschen bleibt zunehmend weniger im Portemonnaie. Während der Kaufkraftverlust viele Menschen in Wallung bringt, bewahrt der Bundesrat ruhig Blut. Für Sofortmassnahmen gegen hohe Energiepreise und Teuerung sieht er keinen Bedarf. «Der Bundesrat ist der Ansicht, dass die bisherigen Preissteigerungen für die Haushalte verkraftbar sind», erklärte die Regierung letzte Woche.

Und sie hält an diesem Kurs fest. Die Teuerung sei bei uns etwa dreimal kleiner als im Ausland, der Anteil der Energiekosten am Haushaltsbudget nur halb so gross, besänftigt SVP-Finanzminister Ueli Maurer (71) auf Blick TV. Auch wenn die Energiepreise in den nächsten Jahren hoch bleiben dürften, will der Bundesrat nicht eingreifen.

«Es kann nicht sein, dass der Staat jetzt etwas subventioniert und nicht mehr daraus rauskommt», so Maurer. «Ich gehe davon aus, dass das mit der Teuerungszulage abgegolten werden muss.» Die Arbeitgeber sollen es also richten.

Knausert Bundesrat bei Rentnern?

Bei den AHV-Renten ist allerdings der Bund am Drücker. Eine Erhöhung ist zwar per 2023 vorgesehen. Weil sich diese aber am sogenannten Mischindex orientiert, der Preis- und Lohnentwicklung berücksichtigt, dürfte eine Anpassung die Teuerung bei weitem nicht ausgleichen.

Eine Mitte-links-Allianz will genau das in der Herbstsession ändern. SP und Mitte verlangen den vollen Teuerungsausgleich für AHV- und IV-Renten sowie Ergänzungsleistungen per 2023. Im Parlament wird es allerdings knapp – Mitte, SP und Grüne kommen im Nationalrat auf genau 100 von 200 Stimmen. Zudem drückt die SVP mit einem Gegenvorstoss auf die Bremse. Sie will keine Ausnahme vom heutigen Mischindex.

Der Entscheid hat auch Einfluss auf die Sozialhilfe. Eine Anpassung des Grundbedarfs für den Lebensunterhalt – aus welchem in der Regel auch die Stromkosten berappt werden müssen – orientiert sich an den Ergänzungsleistungen. Meist aber mit einem Jahr Verzögerung, also per 2024.

Angesichts der Inflation empfiehlt die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (Skos) den Kantonen nun aber, die Teuerung vorgezogen schon per 2023 anzupassen, sollte sie beim Skos-Warenkorb über drei Prozent steigen. Im Juni lag sie noch darunter. «Falls die Teuerung über fünf Prozent steigen sollte, wird sich die Skos für eine kurzfristige Anpassung einsetzen in Koordination mit den Ergänzungsleistungen», erklärt Sprecherin Ingrid Hess.

Prämienverbilligung oder Steuerabzug

Ein grosser Brocken sind auch die Gesundheitskosten. Zur Zitterpartie wird im Parlament der Entscheid, den Bundesbeitrag an die Prämienverbilligung um 30 Prozent zu erhöhen. Auch hier spannen SP und Mitte zusammen, um den Prämienschock abzufedern und dabei tiefe und mittlere Einkommen zu entlasten.

Ebenso kontert die SVP: In einer Motion verlangt sie, dass die Prämien voll von der direkten Bundessteuer abgezogen werden können – was allerdings wegen der Progression höhere Einkommen stärker begünstigt.

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Ansetzen will die Partei auch bei den Treibstoffpreisen: Der Bund soll befristet auf seinen Anteil aus der Mineralölsteuer verzichten. Und der Eigenmietwert soll zumindest für Rentner fallen.

Ausserordentliche Kaufkraft-Session

Über all diese Vorstösse wird der Nationalrat an einer ausserordentlichen Session zur Kaufkraft-Problematik entscheiden. Wobei die Rezepte so weit auseinandergehen, dass eine Blockade droht. Und die Bevölkerung doch wieder mit leeren Händen dasteht.

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