«Sonst fährt man das ganze System an die Wand»
Jetzt spricht der St. Galler Gesundheitsdirektor Damann

In den St. Galler Spitäler werden über 400 Stellen gestrichen. Ein «schmerzhafter Entscheid», auch für den St. Galler Gesundheitsdirektor Bruno Damann.
Publiziert: 29.09.2023 um 00:24 Uhr
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Aktualisiert: 29.09.2023 um 08:51 Uhr
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Der St. Galler Gesundheitsdirektor Bruno Damann nimmt Stellung zum Stellenabbau bei den St. Galler Spitälern.
Foto: Philippe Rossier
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Tobias BruggmannRedaktor Politik

Bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der St. Galler Spitäler hat das Zittern begonnen. 440 Stellen fallen weg. Entlassungen sind unvermeidlich. Der St. Galler Gesundheitsdirektor Bruno Damann (66, Mitte) nimmt Stellung.

Blick: Herr Damann, die St. Galler Spitäler schreiben schon lange Verluste. Warum kommt es jetzt zu diesen Entlassungen?
Bruno Damann:
Solche Schritte sind immer unerfreulich. Der Verwaltungsrat musste auf die finanzielle Schieflage reagieren und diese Massnahmen ergreifen, um die künftige finanzielle Gesundung der Spitalverbunde sicherzustellen.

Auch die St. Galler Regierung hat einen Sitz im Verwaltungsrat des Spitalverbunds ...
Die Regierung gibt lediglich die Eckwerte vor, der Spitalverbund arbeitet dann unabhängig. Wer die Freiheit will, muss jetzt auch die Verantwortung übernehmen.

Der Arzt im Regierungsrat

Bruno Damann (66) ist seit 2016 in der St. Galler Regierung und seit 2020 – inmitten der ersten Corona-Welle – der Vorsteher des Gesundheitsdepartements. Nach seinem Antritt musste er einige unpopuläre Entscheidungen seiner Vorgängerin durchsetzen, unter anderem die Schliessung von mehreren Spitälern im Kanton. Damann ist selbst ausgebildeter Arzt und arbeite bis zu seiner Wahl in einer Gemeinschaftspraxis in Gossau SG. Dazu war er Teamarzt des FC St. Gallen.

Bruno Damann (66) ist seit 2016 in der St. Galler Regierung und seit 2020 – inmitten der ersten Corona-Welle – der Vorsteher des Gesundheitsdepartements. Nach seinem Antritt musste er einige unpopuläre Entscheidungen seiner Vorgängerin durchsetzen, unter anderem die Schliessung von mehreren Spitälern im Kanton. Damann ist selbst ausgebildeter Arzt und arbeite bis zu seiner Wahl in einer Gemeinschaftspraxis in Gossau SG. Dazu war er Teamarzt des FC St. Gallen.

Im Juni hat das Stimmvolk den Spitälern mit einer Finanzspritze von mehreren Millionen Franken geholfen. Ist es nicht zynisch, nur wenige Monate später Leute zu entlassen?
Der heutige Entscheid ist schmerzhaft, aber besser jetzt reagieren, sonst fährt man das ganze System an die Wand.

Das Spital Grabs kann für 100 Millionen Franken ausgebaut werden, auch beim Kantonsspital St. Gallen stehen Gerüste. Setzt der Kanton zu stark auf Immobilien statt aufs Personal?
Nein. Die Bauten waren in einem schlechten Zustand. Diese Investitionen sind zwingend. Wir finden besser Fachkräfte, wenn sie mit modernem Material und zeitgemässer Infrastruktur arbeiten können.

Noch vor kurzem haben Sie über Fachkräftemangel geklagt, jetzt entlassen Sie Leute. Wie geht das zusammen?
Ohne die Details zu kennen, glaube ich nicht, dass man viele Mitarbeitende im pflegerischen und ärztlichen Bereich entlässt. Die Stellen werden nach meiner Einschätzung mehrheitlich in der Verwaltung und im administrativen Bereich gestrichen.

Für das medizinische Personal ändert sich also nichts?
Es wäre sinnvoll, wenn auch im Pflegebereich effizienter gearbeitet wird. Bisher arbeitet man viel zu sehr nur im eigenen Bereich. Man muss als Konzern denken und das Personal flexibler einsetzen.

Es gibt auch Spitäler, die Gewinn machen. Im Thurgau liefern die Spitäler gar Dividenden ab. Was läuft in St. Gallen schief?
Der Kanton Thurgau hat die Reformen, die wir jetzt machen müssen, schon in den 90er-Jahren gemacht und sich auf weniger Standorte konzentriert. Das müssen wir nun nachholen. Das bedeutet jetzt leider eine Durststrecke. Dazu kommt die Teuerung, die tarifarisch nicht nachvollzogen wurde.

Dann steigen die Gesundheitskosten weiter. Um das zu bekämpfen, haben Sie sich für weniger Krankenkassen ausgesprochen.
Momentan haben wir 44 Krankenkassen. Die stehen nicht wirklich in einer Konkurrenz untereinander, sondern werben sich die guten Patienten ab. Fünf bis zehn verschiedene Krankenkassen genügen. Dann werden auch Administration und IT billiger. 

Eine andere Idee ist, dass der Bund die Spitalplanung übernimmt.
Davon halte ich nichts. Wir können das genauso gut, weil wir sehen, wo die Patientenströme sind. Ich unterstütze aber eine kantonsübergreifende Planung.

Zuletzt wollten Sie mit den Kantonen Thurgau, Graubünden und Glarus zusammen planen. Doch diese sind wieder ausgestiegen. Zeigt das nicht, dass eine solche kantonsübergreifende Planung nicht funktioniert?
Der Bund hätte schon jetzt die Möglichkeit, Planungsgruppen von mehreren Kantonen einzusetzen, ähnlich wie beim öffentlichen Verkehr. Ich wünsche mir, dass wir mit allen Ostschweizer Kantonen zusammen die Spitalstandorte festlegen können. Ich halte aber nichts davon, dass es von Bern aus «verordnet» wird. Die Kantone St. Gallen, Appenzell Innerrhoden und Ausserrhoden machen den Anfang und werden bereits im 2024 eine gemeinsame Spitalliste erlassen.

Sie haben bereits Spitäler geschlossen, jetzt streichen Sie das Personal. Ist die Qualität in den St. Galler Spitälern gesichert?
Ja. Das hat für uns oberste Priorität.

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