St. Gallen ersetzt fünf Krankenhäuser mit Notfallzentren – zufrieden ist damit keiner
«Spitalplanung ist in der Geiselhaft von Lokalpolitikern»

Der Kanton St. Gallen will in den nächsten Jahren über die Hälfte seiner Spitäler schliessen, um Geld zu sparen. Doch sogar Regierungsrätin Heidi Hanselmann sieht dies kritisch.
Publiziert: 23.10.2019 um 22:55 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2019 um 09:26 Uhr
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Als Regierungsrätin muss Heidi Hanselmann Spitalschliessungen vertreten, die sie selbst nicht unterstützt.
Foto: Keystone
Tobias Bruggmann

Gegen die Angst kommt man mit Zahlen nicht an. Die St. Galler Regierung war durch die Ostschweiz getourt, hatte versucht zu erklären, warum Spitalschliessungen notwendig seien («Ein Defizit von 70 Millionen Franken droht, die Patientenzahlen bei kleineren Spitälern sind zu tief»). Erfolglos. Die Regierungsräte bekamen die ganze Angst ins Gesicht geschleudert.

Seit Mittwoch ist klar: Die St. Galler Regierung zieht ihren Plan durch und will über die Hälfte ihrer Spitäler schliessen und diese durch sogenannte Notfallzentren ersetzen. Betroffen sind Altstätten, Flawil, Rorschach, Walenstadt und Wattwil.  60 bis 70 Stellen werden gestrichen.

Unpopuläre Massnahme 

Das Ziel: Geld sparen und so das Defizit in der Spitallandschaft in Grenzen halten. Ein Problem, das viele Politiker auch ausserhalb der Ostschweiz kennen: Die Gesundheitskosten explodieren. Doch wer Spitäler schliessen will, sollte sich besser auf seine Abwahl einstellen.

Ob Schliessungen aber wirklich die Kosten senken, darüber ist man sich auch in der St. Galler Regierung uneinig. Spitalschliessungen seien kein Allheilmittel, sagte SP-Gesundheitsministerin Heidi Hanselmann (58) im Magazin «Saiten» vor wenigen Tagen und stellt sich damit gegen die Regierung. 

Wenn man über Standorte diskutiere, würden einfach Kosten verschoben. «Das haben Erfahrungen in den Kantonen Bern oder Zürich gezeigt, wo kleine Spitäler geschlossen wurden. Der Kostenanstieg ist weitergegangen», sagt Hanselmann, die auch Präsidentin der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz ist. Auch die Krankenkassenprämien würden nicht sinken, wenn es weniger Spitäler gäbe.

Genügen zwei Spitäler?

Anderen sind fünf geschlossene Spitäler nicht genug: Gesundheitsökonom Heinz Locher (75) will noch weiter gehen. «Zwei Spitäler genügen im Kanton St. Gallen.» Den Rest könne man mit Notfallzentren abdecken. 

Für Locher ist klar: Schliesst ein Spital, spart der Kanton. «Spitäler haben hohe Fixkosten, egal ob ein Patient da ist oder nicht.» Für die Patienten habe eine Konzentration auf wenige Standorte Vorteile. «Die Ärzte haben in grossen Spitälern mehr Routine, und das Material ist besser.»

Doch auch der Kantönligeist spielt in der Spitalplanung mit: In Frauenfeld, Winterthur ZH oder Herisau stehen ebenfalls Spitäler. In der Planung des Kantons St. Gallen werden sie kaum beachtet.

«Geiselhaft von Lokalpolitikern»

Der Kampf gegen Spitalschliessungen mobilisiert in Städten und Dörfern. Keiner will auf die Sicherheit verzichten, jederzeit rasch behandelt zu werden. «Die Spitalplanung ist in der Geiselhaft von Lokalpolitikern», sagt Locher.

Er muss es wissen: Zusammen mit Anton Grüninger (72), Hanselmanns Vorgänger im St. Galler Regierungsrat, wollte er schon vor 16 Jahren einige Spitäler schliessen. Im gleichen Jahr wurde Grüninger abgewählt – und Heidi Hanselmann trat mit einem Versprechen an: «Mit mir werden keine Spitäler geschlossen.» Am Dienstag vor einer Woche reichte Hanselmann ihren Rücktritt ein.

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