Nach Monaten des Schweigens meldet sie sich zurück: GLP-Politikerin Sanija Ameti (32) äussert sich erstmals ausführlich zu den Ereignissen, die im September einen nationalen Shitstorm ausgelöst hatten. Ameti hatte damals Schüsse auf ein Bild von Maria und Jesus abgefeuert.
Sie sei an jenem Abend überarbeitet und übermüdet gewesen, Sportschiessen helfe ihr in solchen Situationen, sagt Ameti in einem Interview mit CH Media. «Also ging ich in den Keller. Vor der Tür war ein Stapel Altpapier, zuoberst der Katalog des Auktionshauses Koller. Ich riss irgendeine Seite heraus, steckte sie an die Wand, ohne etwas zu überlegen.»
Die Zürcher Stadtparlamentarierin und Co-Präsidentin der Operation Libero habe dabei an ihren Bruder denken müssen, der vor der Flucht der Familie aus Ex-Jugoslawien ermordet worden sei. «Beim Anblick des Bildes an der Wand sah ich gar nichts. Ich fühlte nur einen Schmerz.»
«Ich hatte all das verdrängt, und in dem Moment brach es aus, wie ein Vulkan. Ich konnte den Schmerz nicht alleine tragen und wollte ihn abschalten. Und wusste offenbar nicht anderswo hin damit, als es zu posten.» Das Handy sei in der Nähe gewesen, deshalb habe sie das Bild spontan auf Instagram geteilt. «Das war impulsiv und unüberlegt.» Sie habe «einen groben und dummen Fehler gemacht», sagt Ameti weiter. Es sei keine Provokation, sondern ein Fehler gewesen. «Ich schäme mich für diesen Fehler.»
Ein Hund hilft ihr, das Haus zu verlassen
Ameti musste einen heftigen Shitstorm ertragen. Es gehe ihr heute den Umständen entsprechend gut, sagt sie im Interview mit CH Media weiter. «Ich habe mich lange nicht getraut, das Haus zu verlassen.» Mittlerweile tue sie das wieder, aber sie müsse sich überwinden. Hilfreich dabei: der Hund, den sich Ameti ausgeliehen hat. «Wenn er jault, dann bleibt mir gar nichts anderes, als mit ihm rauszugehen.»
Die Politikerin hat sich nach eigenen Angaben alles angeschaut, was über sie in den sozialen Medien geschrieben wurde. «Ich habe Menschen in meinem Umfeld, die mir das Handy wegnehmen wollten», sagt sie. Doch: «Ich wehrte mich dagegen.»
Was Ameti überraschte: Dass sich ausgerechnet die katholische Kirche nach dem Vorfall versöhnlich zeigte. «Ausgerechnet bei der katholischen Kirche fand ich einen Humanismus und eine Aufklärung, die ich an anderen Orten vermisst habe.»
«Engagement ist ein zentraler Teil meiner Identität»
Ameti bekräftigt ihre Absicht, in die Politik zurückzukehren. Sie wird voraussichtlich an der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom 18. Dezember teilnehmen, wie Blick-Recherchen bereits am letzten Wochenende zeigten. Die Ankündigung stiess in den Reihen der Partei – zumindest hinter vorgehaltener Hand – auf breites Unverständnis.
Künftig will Ameti striktere Grenzen zwischen ihrem Privatleben und Social Media ziehen. Politisch wolle sie jedoch aktiv bleiben, erklärt sie. «Mein Engagement ist ein zentraler Teil meiner Identität.»
Ameti stellt im Interview klar, dass sie sich weder aus der Partei noch aus der Politik zurückziehen will: «Als gewählte Gemeinderätin und Co-Präsidentin der Operation Libero will ich meine Verpflichtungen nach bestem Wissen und Gewissen erfüllen.» Auf die Frage, wohin Ameti bei einem Parteiausschluss wechseln würde, sagt sie: «Ich bin grünliberal und bleibe grünliberal.»
Verhältnis ist völlig zerrüttet
Ameti hatte im September auf Instagram Bilder veröffentlicht, die sie mit einer Pistole beim Schiesstraining zeigen – und ein von zahlreichen Schüssen durchsiebtes Bild mit Maria und Jesus. Nach einer Anfrage von Blick löschte Ameti den Post und entschuldigte sich für ihren Fehler. Doch in den sozialen Medien gingen die Wogen hoch.
Für die Parteileitung der GLP Schweiz war rasch klar: Ein Verbleib Ametis schade dem Ansehen der Partei. Parteichef Jürg Grossen (55) forderte ihren Austritt. Er nannte Ametis Aktion eine «Riesendummheit, die nicht entschuldbar ist».
Laut gut informierten Quellen suchten Grossen und andere GLP-Kader frühzeitig und mehrfach das Gespräch mit Ameti. Doch die Zürcherin habe sich einer Lösungssuche verweigert. Daraufhin sei die Lage eskaliert.
Ameti verlor ihren Job bei einer PR-Agentur, aus der Leitung der Zürcher GLP trat sie zurück. Nach Anfeindungen und Drohungen stand Ameti zeitweise unter Polizeischutz. Ihren Sitz im Zürcher Stadtparlament behielt sie, nahm aber monatelang nicht mehr an Ratssitzungen teil.
«Sie fing wieder an zu essen, traute sich wieder auf die Strasse»
Die Operation Libero stellte sich in einem Statement hinter ihre Co-Präsidentin Ameti. «Sanija trägt Verantwortung für ihr Handeln, aber nicht dafür, wer sie ist», heisst es darin. «Wir tragen Verantwortung gegenüber Sanija.»
Man sei jederzeit hinter Ameti gestanden, ihr sei es Schritt für Schritt besser gegangen, schreibt die Organisation weiter. «Sie fing wieder an zu essen. Sie traute sich wieder auf die Strasse. Und nahm punktuell wieder an unseren Sitzungen teil. Wir liessen ihr Zeit und schützten ihre physische und psychische Integrität.»