Auf einen Blick
- Sanija Ameti plant Comeback nach Skandal um Marienbild-Schiessen
- GLP-Führung fordert Parteiaustritt, Ameti bleibt standhaft und plant Rückkehr
- 32-jährige Politikerin soll am 18. Dezember ins Zürcher Stadtparlament zurückkehren
Drei Monate lang bescherte Sanija Ameti ihrer Partei eine Verschnaufpause, indem sie tat, wofür sie bis anhin nicht bekannt war: Sie blieb still.
Die 32-jährige Politikerin der Grünliberalen, Zürcher Stadtparlamentarierin und Co-Präsidentin der Operation Libero, musste sich wegducken, nachdem ein Shitstorm von nationaler Dimension über ihr niedergegangen war. Im Kellergewölbe ihres Wohnhauses hatte sie auf ein Marienbild geschossen, ein Foto der Aktion in den sozialen Medien verbreitet und nach dem Bericht eines Blick-Journalisten am 7. September nur noch feststellen können, dass sich die Empörungsmaschinerie nicht mehr stoppen liess.
Ihre öffentliche Entschuldigung entspannte die Lage genauso wenig wie die Vergebung der Kirche. Über Nacht wurde die bosnisch-stämmige Schweizerin, die einen beeindruckenden Parforceritt vom Flüchtlingsmädchen im Asylzentrum Adliswil bis zur Doktorandin der Rechtswissenschaften an der Universität Zürich zurückgelegt hatte, in den Kommentarspalten und auf einschlägigen Portalen zur Nestbeschmutzerin reduziert, die das Sakrileg begangen hatte, sich als Muslimin mit der abendländischen Zivilisation anzulegen.
Nun lieferte sie ihren Hassern den «Clash of Civilizations» im Bonsai-Format.
Ametis berufliches Umfeld reagierte überfordert: Am Sonntag nach der Publikation sicherten ihr die Verantwortlichen der Kommunikationsagentur, bei der sie tätig war, kumpelhaft Unterstützung zu, ehe ihr die Personalabteilung am Montag die Kündigung mitteilte.
Zum Bruch kam es auch mit der nationalen Leitung der Grünliberalen: Präsident Jürg Grossen (55) forderte zwei Tage nach dem Ereignis öffentlich ihren Parteiaustritt.
Seither hat sich dieses Verhältnis keineswegs verbessert, im Gegenteil: Die Lage ist eskaliert, wie Recherchen zeigen.
Das Vertrauen ist weg
Grossen sucht mittlerweile das Gespräch mit seinem prominenten Parteimitglied, doch Ameti will nicht. «Sie schaltet auf stur», sagt eine GLP-Parlamentarierin. Im Umfeld der Gefallenen heisst es: Das Vertrauen sei weg, seit Grossen ihren Ausschluss angestossen hat. Das Verfahren steht übrigens noch auf Feld eins. Passiert ist bislang nichts – abgesehen davon, dass ein Teil der Stadtpartei erst recht zu Ameti hält und in Zürich eine Solidaritätswelle für sie organisiert wurde.
Dass man sich mit Grossens tollkühnem Vorpreschen womöglich verspekuliert hat, muss irgendwann auch der Parteizentrale klar geworden sein – weshalb die GLP-Führung Ameti jüngst dazu aufforderte, doch bitte freiwillig auszutreten, das sei besser für alle Beteiligten.
Doch sie denkt nicht daran. Überhaupt scheint die Kritisierte in einer solchen Situation erst recht motiviert zu sein, durchzuhalten. Sie hat als kleines Kind einen Krieg erlebt, und Hakenkreuzschmierereien auf der Fassade ihres Wohnhauses scheinen sie ebenso wenig zu beeindrucken wie Hassbotschaften anonymer Kommentarschreiber.
Kein Zweifel: Diese Frau hat Stehvermögen. So ist es nur folgerichtig, dass ihre Rache nach Drehbuch erfolgt. Schliesslich ist Ameti, deren Netzwerk von der Zürcher Kunstschickeria bis zum Berner Politkuchen reicht, ein Medienprofi. Also wird sie demnächst einer ihr genehmen Zeitung ein Interview geben. Und dann, wie Blick in Erfahrung bringen konnte, ihr Comeback im Politikbetrieb feiern. Motto: Ich bin wieder da. Jetzt erst recht. An der Sitzung des Zürcher Gemeinderats vom 18. Dezember möchte Ameti, so der Plan, ins städtische Parlament zurückkehren, in das sie 2022 gewählt wurde. Selbstverständlich als GLP-Mitglied, zum Ärger mancher Parteistrategen.
Das Zerwürfnis mit Jürg Grossen indes kam nicht aus heiterem Himmel, sondern ist der Kulminationspunkt einer Geschichte zweier Seiten, die sich eigentlich nie mochten. Es begann mit ihrem GLP-Beitritt 2019. Als politischer Zappelphilipp konnte sich Ameti nicht in Reih und Glied der Partei stellen, sondern startete gleich eine Aktion: Sie lancierte ein Referendum gegen ein Prestigeprojekt der damaligen Justizministerin Karin Keller-Sutter (60), das sogenannte «Bundesgesetz über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus», kurz PMT. Es war das erste Referendum der Jungen GLP überhaupt. Die Parteielite reagierte mit Respekt – und Neid. Da wird eine Parvenue von der «NZZ» bis zur «Republik» in ellenlangen Porträts abgefeiert, während andere die politische Ochsentour absolvieren und es höchstens mal zu einer Abbildung von der Turnhalleneröffnung im Lokalblatt schaffen.
Ameti sah sich bald als Leaderfigur der progressiven, urbanen Parteihälfte und machte sich über die Solarstrom-Nerds in der GLP lustig, zu denen sie auch den Berner Oberländer Grossen zählt.
«Sie hat nur ein Programm: sich selber», findet eine bekannte GLP-Vertreterin. Was Ameti wirklich für die Partei geleistet habe, werde überschätzt. Das Ameti-Lager kontert: Man habe ihr nie erlaubt, in der Öffentlichkeit als Repräsentantin der GLP aufzutreten. Tatsächlich wurde sie vor allem als Gesicht der Euroturbos aus der Operation Libero wahrgenommen.
Mit einer bemerkenswerten Tendenz: Je mehr sich Ameti in die Schweizer Gesellschaft zu integrieren begann, desto mehr wollte sie die Schweiz in Europa integrieren.
Seit ihrer Schiessaktion im Keller hat dieses Integrationsmärchen böse Kratzer, und die Frage steht im Raum: Scheiterte sie an der Schweiz – oder scheiterte die Schweiz an ihr?
Ewiges Polarisieren
Sicher ist: Ameti polarisiert. Oder, einfacher ausgedrückt: Mit ihrer Extravertiertheit geht sie vielen auf die Nerven. Und liefert verlässlich Schlagzeilen. Mal erhebt sie sich zur historischen Gegenspielerin von Christoph Blocher (84), mal wünscht sie FDP-Ständerat Andrea Caroni (44) in der Debatte über das Sexualstrafrecht eine «hotte Erfahrung».
Für Aufregung sorgte sie im Dezember 2022, als sie im SRF-«Club» den SVP-Bundesratskandidaten Albert Rösti (57) und Hans-Ueli Vogt (55) vorhielt, sie könne sich «aus politischer Warte keinen von beiden schöntrinken». Ein Sturm der Entrüstung fegte durchs Land, der Zusatz «aus politischer Warte» ging unter, und von der nationalen Parteizentrale der GLP erhielt Ameti eine unsanfte Zurechtweisung. Pikant: Als ausgerechnet GLP-Chef Grossen ein paar Monate später im «Nebelspalter» SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider (60) als «nicht die hellste Kerze auf der Torte» bezeichnete, blieb es ruhig.
Der «Schöntrink»-Spruch hatte für Ameti ein übles Nachspiel: Die Kantonalpartei strafte sie bei den Nationalratswahlen mit einem miesen 25. Listenplatz ab. In der GLP hatten viele genug von ihrer profilneurotischen Parteikollegin. Eine GLP-Politikerin sagt: «Ich habe ihr x-mal gesagt, dass sie sich mässigen soll, und jedes Mal gab sie sich einsichtig. Dann kam der nächste Fauxpas.» Die «NZZ» drückte die interne Stimmung in der GLP so aus: «Man stört sich nicht an der Libero-Co-Präsidentin als Person, sondern eher am Phänomen Ameti.» Urheber des «Phänomen»-Zitats soll ein damaliges Mitglied der kantonalen Parteiführung gewesen sein.
Manche der damaligen Auskunftgeber sind längst weg von der Bühne. Ameti hingegen wird bald wieder in die Kameras lächeln.
Mit ihrem Kontrahenten Jürg Grossen hat sie immerhin eines gemeinsam: Beide wollen sich auf Anfrage nicht öffentlich zum Fall äussern.