Weil die Post aus Doha kommt
Blatter ist überzeugt, die Fifa wird umziehen

Wer sagt, dass der Weltfussballverband in Zürich bleiben muss? Jedenfalls nicht dessen einstiger Präsident. Über Umzugs- und andere Pläne.
Publiziert: 20.11.2022 um 12:21 Uhr
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Aktualisiert: 20.11.2022 um 17:42 Uhr
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Sepp Blatter: «Dass Infantino mit der Fifa aus Zürich wegwill, ist ein offenes Geheimnis.»
Foto: AFP via Getty Images
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Tobias MartiRedaktor SonntagsBlick

Wann immer die Fifa-Fussball-Familie mit ihrem Mutterschiff kommunizierte, geschah dies vom Züriberg aus, dem gewaltigen Hauptsitz neben dem Zoo. Mittlerweile scheint aber nicht einmal mehr die Post aus Zürich zu kommen. Jedenfalls nimmt Ex-Fifa-Präsident Sepp Blatter (86) es so wahr, der gefallene Fussballpapst, der zwar erstmals eine WM in der guten Stube mitverfolgt, dem aber offenbar noch manche Interna ins Haus flattern: «Es ist schon interessant, dass die offiziellen Dokumente im Zusammenhang mit dem Fifa-Wahlkongress an die Nationalverbände von Doha aus verschickt wurden – und nicht vom Hauptsitz in Zürich aus», so der Walliser zu SonntagsBlick.

Wenig erstaunlich also, halten sich Gerüchte um Zügelgelüste der Fifa hartnäckig. Da mag Präsident Gianni Infantino (52) in der Öffentlichkeit noch so oft versichern, ein Umzug sei kein Thema («Die Fifa bleibt in Zürich»), Blatter ist vom Gegenteil überzeugt: «Dass Infantino mit der Fifa aus Zürich weg will, ist ein offenes Geheimnis.» Blatter, zeitweise der prominenteste Schweizer, wurde jüngst zusammen mit Michel Platini (67) vom Verdacht der Korruption freigesprochen.

«Dass er in Katar lebt, ist total falsch»
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Komplettumzug nach Paris?

Was den Fifa-Exodus angeht: Dies ist mehr als ein Gerücht, denn viele sind bereits weg. Allen voran der Präsident selber. In aller Stille hat Infantino seinen Lebensmittelpunkt nach Katar verlegt. Und nicht nur er, auch seine Familie ist mitgezogen, wie SonntagsBlick am Jahresanfang publik machte. Auch die Wettbewerbsabteilung der Fifa ist bereits ausgeflogen, sie zog im vergangenen Herbst nach Paris, ins Hôtel de la Marine, ein Prunkpalais. «In ein Gebäude übrigens, das dem Emir von Katar gehört», wie Blatter bereitwillig präzisiert.

Gegen einen Komplettumzug nach Paris, dem Gründungsort der Fifa, sprechen indes handfeste Argumente. Aus dem Umfeld des Fussballverbands ist zu hören, dass man den rigiden Lohnschutz der Grande Nation fürchtet. Die Fifa-Angestellten kämen dann in den Genuss einer de facto unkündbaren Stellung, was möglicherweise nicht im Sinne eines Vereins ist, der auch wegen seiner Fluktuation und Schleudersitz-Positionen zu einiger Berühmtheit gelangte.

Die Fussball-Funktionäre könnten sich auch anderswo niederlassen. So berichten gut informierte Kreise, der Fifa-Bereich Sponsoring und Marketing solle bereits ab nächstem Jahr in die USA ausgegliedert werden. Lange sei New York im Spiel gewesen, nun werde der steuergünstige Bundesstaat Delaware bevorzugt. So sollen Arbeitsverträge von Fifa-Mitarbeitern auch schon für die USA abgeändert worden sein.

Zu all dem sagt die Kommunikationsabteilung auf Anfrage: nichts.

Die WM 2026 findet unter anderem in den USA statt. Gemäss der Logik seines Katar-Umzugs könnte Fussballkrösus Infantino für die Wahl des US-Domizils eine ähnliche Begründung wie bei Katar ausdenken. Dies hat er auch schon öffentlich angedeutet.

Dem Mann, der im nächsten Jahr sehr wahrscheinlich ohne Gegenkandidat wiedergewählt wird, wird ein schwieriges Verhältnis zur Heimat nachgesagt.
Seine irritierende Rede von gestern, in der er den Medien Heuchelei vorwarf, liess tief blicken: «Ich bin der Sohn von Gastarbeitern, meine Eltern haben hart gearbeitet, in der Schweiz. Ich hatte rote Haare, Sommersprossen, wurde ‹gebullied›, ausgeschlossen.»

Verfahren gegen Infantino

Aufmerksamen Fans dürfte nicht entgangen sein, wie gern Infantino als Uefa-Generalsekretär seine Italianità betonte. Die Welt erkannte in ihm den Italiener. Erst als Fifa-Präsident schien er sich plötzlich auch an das Schweizer Idiom zu erinnern. Hierzulande hat der Mann aus Doha Ärger mit der Justiz, noch läuft in Bern ein Verfahren gegen ihn. Wobei man «die Schweizer Justiz in diesem Kontext vergessen kann – sie ist Teil des Problems», kritisiert Mark Pieth, ehemaliger Fifa-Chef-Reformator und Schweizer Antikorruptionsexperte, diese Woche in der «Schweizer Illustrierten».

Zu möglichen Umzugsgelüsten hält Korruptionsjäger Pieth noch eine Anekdote parat. So habe er, als er vor zehn Jahren in der Ethikkommission sass, an die Adresse der Fifa-Funktionäre den Spott gerichtet: «Wenn euch das Schweizer Recht nicht gefällt, könnt ihr ja nach Katar auswandern.» Mittlerweile hat ihn die Wirklichkeit eingeholt.

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