«In meinen Augen ist das eine schlechte Entwicklung»
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Blatter zu Infantinos Umzug:«In meinen Augen ist das eine schlechte Entwicklung»

Nach heimlichem Umzug
Blatter schiesst scharf gegen Fifa-Boss Infantino

Heimlich hat Gianni Infantino seinen Lebensmittelpunkt nach Katar verlegt. Vorgänger Sepp Blatter ist überzeugt: «Er will auch den Fifa-Hauptsitz verlegen.»
Publiziert: 16.01.2022 um 17:22 Uhr
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Aktualisiert: 03.02.2022 um 13:38 Uhr
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Fifa-Chef Gianni Infantino (r.) wohnt seit Oktober mehrheitlich in Doha. Zum Emir von Katar pflegt er ein freundschaftliches Verhältnis.
Foto: AFP
Steffi Buchli, Fabian Eberhard und Daniel Ballmer

Jetzt schaltet sich der ehemalige Fifa-Präsident Sepp Blatter (85) in die Debatte um den neuen Lebensmittelpunkt seines Nachfolgers ein. SonntagsBlick hatte bekannt gemacht, dass Gianni Infantino (51) nach Katar umgezogen ist, dem Gastgeberland der Fussball-WM 2022. Der Chef des Weltfussballverbands hat in Doha ein Haus gemietet und zwei seiner Töchter im Emirat eingeschult. Dabei hatte die Fifa entsprechende Pläne letztes Jahr gegenüber Blick noch dementiert.

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«Offenbar fühlt sich Infantino in der Schweiz nicht wohl», kommentiert Blatter. Und er betont: «Infantino will den Fifa-Hauptsitz nach Paris verlegen.» Zudem liebäugle der aktuelle Verbandsboss damit, einen Teil der Administration in die USA auszulagern. «In meinen Augen ist das eine schlechte Entwicklung», sagt Blatter. Denn die Fifa kam 1932 wegen der politischen und wirtschaftlichen Stabilität von Paris nach Zürich – und hat hier ihre Heimat gefunden.

«Das sagt etwas über seinen Charakter aus»

Der heimliche Umzug nach Katar spreche nicht für Infantino, doppelt der renommierte Korruptionsexperte Mark Pieth (68) nach. Der Basler Strafrechtsprofessor hatte in den Skandaljahren unter Blatter die Grundlagen für einen Reformprozess bei der Fifa gelegt. «Dass sich Infantino gerne in die Nähe von Potentaten begibt, sagt etwas über seinen Charakter aus», urteilt Pieth.

In Katar herrscht der autoritäre Emir Tamim bin Hamad al-Thani, zu dem der Fifa-Chef ein freundschaftliches Verhältnis pflegt. Pieth: «Katar ist ein undemokratisches und sexistisches Regime, das überdies den IS in Syrien finanziell unterstützt haben soll.» Bereits vor mehr als zehn Jahren kamen Ungereimtheiten rund um die Vergabe des Turniers ans Licht.

Überrascht über die Nähe Infantinos zur Golf-Monarchie ist Pieth aber nicht: «Ich habe ihn noch nie als grossen Reformer empfunden.» Im Gegenteil: Er habe dafür gesorgt, dass die unabhängigen Ethiker – die immerhin Blatter und Platini aus dem Sattel gehoben hätten – durch «inkompetente Leisetreter» ersetzt worden seien. Die Europäer müssten sich fragen, ob sie wirklich unter diesem Präsidenten Fussball spielen wollten.

«Mir wäre nie in den Sinn gekommen, meinen Wohnsitz zu verlegen»

Schützenhilfe erhält Infantino hingegen vom ehemaligen Fifa-Funktionär Roland Rino Büchel (56). Der St. Galler SVP-Nationalrat tritt zwar immer wieder als Fifa-Kritiker auf, kann den Umzug des Verbandsbosses aber nachvollziehen. «Die Organisation gerade dieser WM ist eine Herausforderung. Da schadet es sicher nicht, wenn der Chef vor Ort ist», sagt er. «Und dass er in dieser Zeit seine Familie bei sich haben will, kann man ja auch verstehen.»

Blatter widerspricht deutlich: «Unter meiner Präsidentschaft führten wir Weltmeisterschaften in Japan und Südkorea, Deutschland, Südafrika und Brasilien durch. Aber es wäre mir nie in den Sinn gekommen, meinen Wohnsitz in eines dieser Länder zu verlegen.»

Der Weltfussballverband dagegen will von einem «heimlichen Umzug» nichts wissen. Infantino habe den Fifa-Rat darüber informiert, dass er seine Präsenz zwischen Zürich, Doha und der ganzen Welt aufteilen werde, um seine präsidialen Pflichten zu erfüllen und näher an der WM zu sein. Infantino habe seinen Wohnsitz in der Schweiz, versichert ein Fifa-Sprecher. «Und er bleibt in der Schweiz steuerpflichtig.»

Auch das beurteilt Blatter anders. Infantinos Umzug stehe faktisch im Widerspruch zu den Organisationsstrukturen der Fifa. Jede Weltmeisterschaft habe ein lokales Organisationskomitee und ein Fifa-OK. Dort aber habe der Verbandspräsident keine operative Funktion. «Die Fäden laufen bei der Fifa in Zürich zusammen. Und dort ist der Präsident gefragt und gefordert.»

«Offenbar weiss Infantino nicht genau, wo er hingehört»

Für Korruptionsexperte Pieth deutet Infantinos Umzug auf die Arabische Halbinsel vielmehr darauf hin, dass sich die Fifa zunehmend aus der Schweiz wegbewegt. Tatsächlich ist der Präsident laut Insidern nur noch selten am Hauptsitz in Zürich anzutreffen. Das verärgere viele. Die Fifa hingegen beteuert, Infantino arbeite nach wie vor rund eine Woche pro Monat in Zürich.

Mit dem Protokoll – wie von der Fifa behauptet – könne der Umzug jedenfalls nichts zu tun haben, merkt der ehemalige Verbandsboss Blatter an. Er zeigt sich gespannt, wie die Fifa-Mitgliederverbände darauf reagieren. «Offenbar weiss Infantino nicht genau, wo er hingehört», sagt Blatter. «Mit seiner Nähe zu Katar könnte er sich in ein gefährliches Abhängigkeitsverhältnis zum Veranstalterland begeben.»

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