Schweizer Waffen für die Ukraine?
Jetzt muss der Nationalrat Stellung beziehen

Am Mittwochnachmittag diskutiert der Nationalrat über die Lex Ukraine. Derweil wächst der internationale Druck auf die Schweiz, der Weitergabe von Waffen und Munition aus Schweizer Produktion zuzustimmen.
Publiziert: 08.03.2023 um 14:20 Uhr
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Aktualisiert: 08.03.2023 um 16:04 Uhr
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Der Nationalrat berät am Mittwochnachmittag über eine Lockerung der Bestimmungen für die Weitergabe von Waffen aus Schweizer Produktion durch Drittstaaten.
Foto: keystone-sda.ch

Der Nationalrat berät am Mittwochnachmittag über eine Lockerung der Bestimmungen für die Weitergabe von Waffen aus Schweizer Produktion durch Drittstaaten. Es ist das zweite Mal innert drei Tagen, dass das Thema unter der Bundeshauskuppel debattiert wird.

Konkret befindet die grosse Kammer über eine Motion ihrer Sicherheitspolitischen Kommission (SIK-N). Demnach könnte der Bundesrat die Wiederausfuhr von in der Schweiz hergestellten Waffen ausnahmsweise bewilligen.

Möglich wäre dies in zwei Fällen. Entweder, wenn der Uno-Sicherheitsrat in einer Resolution eine Verletzung des völkerrechtlichen Gewaltverbots feststellt. Oder, wenn dies die Uno-Vollversammlung mit einer Zweidrittelmehrheit tut. Letzteres geschah im Falle des Ukraine-Kriegs.

Nicht mit Neutralitätsrecht vereinbar

Die Befürworterinnen und Befürworter des Vorstosses argumentieren, die Schweiz sei darauf angewiesen, dass alle Staaten das Gewaltverbot gemäss Uno-Charta respektierten.

Der Bundesrat hält die Motion für nicht mit dem Neutralitätsrecht vereinbar. Ob sie im Nationalrat eine Chance hat, ist offen. Auch eine Minderheit der vorberatenden Kommission spricht sich dagegen aus. In der Kommission stimmte nebst Vertreterinnen und Vertretern von SVP und Grünen auch die Waadtländer FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro gegen den Vorstoss.

Internationaler Druck wächst

Die Schweiz gerät international immer stärker unter Druck. Das renommierte «Wall Street Journal» kritisiert die Schweiz. Sie sei ein «Stolperstein» der westlichen Unterstützung für die Ukraine. Kritik gab es auch von Nato-Chef Jens Stoltenberg (63). «Im Fall der Ukraine geht es nicht um Neutralität», sagte Stoltenberg letzten Monat. «Es geht darum, das Recht auf Selbstverteidigung zu respektieren, die Rechtsstaatlichkeit zu schützen und die UN-Charta zu verteidigen.»

Auch die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (64) sagte, die Schweiz müsse sich positionieren: «Recht oder Gewalt, Demokratie und Grundrechte oder Autokratie», wird sie im «Wall Street Journal» zitiert.

Bundespräsident Alain Berset (50) hat angesichts Anfragen Deutschlands und Tschechiens zum Rückkauf von Leopard-2-Panzern Skepsis durchblicken lassen. Das Schweizer Gesetz sehe hier keinen Spielraum vor. Die Diskussion sei in diesem Moment absolut logisch und normal, sagte Berset am Dienstag in New York. Die Rahmenbedingungen könnten zwar vom Parlament geändert werden und dies werde auch gerade diskutiert.

Berset schränkte jedoch umgehend ein: «Waffenexporte sind, solange wir in der Schweiz einen rechtlichen Rahmen haben, nicht möglich. (...) Für die Regierung und den Bundesrat müssen und wollen wir diesen rechtlichen Rahmen erhalten und in diesem Rahmen arbeiten.»

Ständerat lehnte Burkart-Vorstoss ab

Bereits am Montag hatte sich der Ständerat mit der Waffen-Wiederausfuhr befasst. Er sagte Nein zu einer Motion von FDP-Präsident Thierry Burkart (47). Der Aargauer Ständerat verlangte, dass auf eine Nichtwiederausfuhr-Erklärung verzichtet werden kann, wenn Rüstungsgüter an Staaten geliefert werden, die Schweizer Werten verpflichtet sind und die über ein mit der Schweiz vergleichbares Exportkontrollregime verfügen.

Abgeschlossen wird die Diskussion auch nach der Nationalratsdebatte nicht sein. Im Parlament sind derzeit gleich mehrere parlamentarische Initiativen zum Thema hängig. Die Übersicht:

Befristung von Erklärungen

Rund eine Woche nach der Nationalratskommission beschloss die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats (SIK-S) ihre eigene Initiative. Sie will, dass Nichtwiederausfuhr-Erklärungen für bestimmte Länder nur fünf Jahre lang gelten. Dazu gehören Deutschland, Frankreich, Italien oder auch die USA. Massgebend ist die Liste im Anhang der Kriegsmaterialverordnung. Die Zielländer müssen sich laut der Kommissionsinitiative verpflichten, das Material nur unter bestimmten Voraussetzungen weiterzugeben. Unter anderem darf das Bestimmungsland nicht in einen bewaffneten Konflikt verwickelt sein, es sei denn, es macht von seinem völkerrechtlichen Selbstverteidigungsrecht Gebrauch.

Der kombinierte Ansatz

Vor zwei Wochen einigten sich SP und FDP in der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats auf eine parlamentarische Initiative, welche die Vorschläge aus der kleinen Kammer mit dem Grundsatz kombiniert, sich auf Beschlüsse der Vereinten Nationen zu stützen. Demnach könnte der Bundesrat im Einzelfall eine Nichtwiederausfuhr-Erklärung ausnahmsweise auf fünf Jahre befristen. Nämlich dann, wenn das Bestimmungsland die Menschenrechte nicht schwerwiegend verletzt, keine Gefahr besteht, dass das Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird, und wenn das Bestimmungsland nicht in einen internen oder internationalen bewaffneten Konflikt verwickelt ist. Die Wiederausfuhr von Rüstungsgütern in einen kriegführenden Staat wäre jedoch möglich, wenn dieser von seinem völkerrechtlichen Selbstverteidigungsrecht Gebrauch macht – und dies von der Uno-Vollversammlung mit Zweidrittelmehrheit respektive vom Uno-Sicherheitsrat festgestellt wird. Die Gesetzesänderung würde gemäss dem Vorschlag auch rückwirkend gelten. (SDA/bro)

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