Jetzt geht es um grobes Geschütz. Deutschland hat die Schweiz um den Kauf eingelagerter Leopard-2-Panzer ersucht, wie Blick bekannt machte. Sie sollen Panzer ersetzen, die Deutschland und andere EU-Länder in die Ukraine geliefert haben – aber selbst nicht an Kiew weitergegeben werden.
Und tatsächlich: Das Verteidigungsdepartement von Viola Amherd (60) sowie die Armeespitze zeigen sich offen. Nach Vorabklärungen wäre es möglich, auf eine beschränkte Zahl von Panzern zu verzichten. Vorher aber müsste das Parlament zustimmen und sie ausser Dienst stellen.
«Signal für den weiteren Verlauf der Debatte»
Erste Weichen werden schon nächste Woche gestellt. Dann berät das Parlament erstmals zwei von einem halben Dutzend Vorstössen, welche die Weitergabe von Schweizer Rüstungsgütern ermöglichen wollen. «Das wird ein Signal für den weiteren Verlauf der Debatte sein», sagt etwa FDP-Präsident Thierry Burkart (47). «Der Ständerat muss Farbe bekennen.»
So berät der Ständerat am Montag eine Motion von Ratskollege Burkart. Diese will das kürzlich verschärfte Kriegsmaterialgesetz wieder lockern. So soll das Wiederausfuhr-Verbot für Länder mit gleichen Werten aufgehoben werden. Dann könnte Deutschland Munition an die Ukraine liefern. Die Schweiz wäre nicht involviert, das Neutralitätsrecht sei damit nicht mehr tangiert.
Der Nationalrat wiederum befindet am Mittwoch über eine Motion seiner sicherheitspolitischen Kommission. Damit soll die Weitergabe von Waffen in ein Kriegsland wie derzeit die Ukraine ermöglicht werden, wenn dieses Land von seinem völkerrechtlichen Selbstverteidigungsrecht Gebrauch macht. Dabei müsste der Uno-Sicherheitsrat oder die Uno-Generalversammlung mit Zweidrittelmehrheit einen Angriffskrieg als völkerrechtswidrig erklären.
Beide Vorstösse stehen auf der Kippe
Doch: Beide Vorstösse stehen arg auf der Kippe. Die Mehrheitsverhältnisse sind in beiden Kammern sehr eng. So eng, dass nicht einmal die Fraktionen selber eine Prognose wagen. Schon einzelne Abwesenheiten könnten entscheidend sein.
Eindeutig ist die Haltung der SVP. Aus neutralitätspolitischen Gründen will sie alle Vorschläge ablehnen. Abweichler gebe es keine, heisst es. Im Ständerat sind auch SP und Grüne gegen die Motion Burkart. «Das ist kein Ukraine-Hilfe-Vorstoss, sondern ein Waffenexport-Vorstoss», so die Begründung. Damit kommen die Gegner schon einmal auf 19 der 44 entscheidenden Stimmen im Rat. 44, da Ständeratspräsidentin Brigitte Häberli-Koller (64) nicht abstimmt und derzeit ein Sitz vakant ist.
Ihnen gegenüber steht die FDP mit 12 Stimmen, die sich geschlossen hinter Burkart stellen will. Matchentscheidend wird daher die Mitte mit 13 Stimmen sein. Zwar zeigt sich die Parteispitze ablehnend, die Mitte-Ständeräte hingegen wollen der Motion grossmehrheitlich zustimmen. Tendenz: Die Motion wird knapp angenommen. Dürfte dann aber im Nationalrat scheitern.
Ähnlich stehen die Vorzeichen im Nationalrat: SVP und Grüne sind dagegen – mit knapp 85 der 200 Stimmen. Mitte, SP und GLP hingegen sind dafür. Auch eine FDP-Mehrheit dürfte zustimmen. Gemeinsam könnten sie auf rund 100 Stimmen kommen. Tendenz: Auch diese Motion wird knapp angenommen. Doch auch sie dürfte dann im Zweitrat wie zuvor in der vorberatenden Kommission scheitern.
«Der Bundesrat übernimmt überhaupt keine Leadership»
Ganz so schnell will das Parlament aber nicht aufgeben. «Wir müssen den Druck auf den Bundesrat hochhalten», findet Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy (44). «Er kann sich nicht einfach hinter der Neutralität verstecken, denn es gibt Lösungen, die neutralitätskompatibel sind.» GLP-Fraktionschefin Tiana Moser (43) sieht es genauso. Deutlich wird auch FDP-Chef Burkart: «Der Bundesrat muss in dieser Frage mehr Leadership zeigen.»
Die Schweiz müsse ihren Beitrag leisten, um den Krieg in der Ukraine möglichst rasch zu beenden. Eigentlich sei es sogar egal, welcher Vorstoss durchkommt, ist im Parlament zu hören. «Wir brauchen einfach irgendeine Lösung.»