«Für unser Land dürfte es jetzt sehr schwierig sein, unsere Klimaziele zu erreichen.» Umweltministerin Simonetta Sommaruga (61) zeigte sich sichtlich enttäuscht vom Nein zum CO2-Gesetz.
Doch das Nein hat auch kurzfristige Folgen: Bislang konnten sich etwa Unternehmen von der CO2-Abgabe befreien lassen. Diese Regelung läuft nun 2021 ohne Ersatz aus. Ebenso wie die Vorgabe, dass Treibstoffimporteure Klimaschutzprojekte finanzieren müssen. Für Hunderte Unternehmen könnte die Ablehnung also teuer werden, die Erdöl-Lobby wird geschont.
Für Sommaruga geht es nun darum, das zu verhindern und die entsprechenden Bestimmungen zu verlängern. «Ich werde deswegen nächste Woche Gespräche führen.» Bei der FDP dürfte sie damit offene Türen einrennen: Eine parlamentarische Initiative in dieser Richtung liegt bereits vor. Macht das Parlament schnell vorwärts, sollten Übergangslösungen bis Ende Jahr möglich sein.
Harte Fronten absehbar
Schwieriger ist die Frage, wie es mit dem grossen Wurf weitergeht. Schon zeichnen sich harte Fronten ab: SP und Grüne kündigen an, den Finanzplatz mittels Initiative klimaverträglicher machen zu wollen. Ausserdem wollen sie dafür sorgen, die Wirtschaft ökologisch umzubauen – wie das US-Präsident Joe Biden (78) und die EU mit ihrem «Green Deal» vorhaben.
Bei den Bürgerlichen dürfte das schlecht ankommen. FDP-Präsidentin Petra Gössi (45) etwa findet, ihre Partei sei beim CO2-Gesetz «zu viele Kompromisse eingegangen». Bei einer Neuauflage des Gesetzes sei nun «auf noch liberalere Lösungen zu setzen». Was denn liberaler wäre als die eben abgelehnten Lenkungsabgaben, konnte sie aber nicht sagen. Nur: Man müsse nun analysieren, wie Mehrheiten zu finden seien.
Lenkungsabgaben vorerst vom Tisch
FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen (39), der gegen die Parteimeinung für ein Nein weibelte, plädiert dafür, die bestehenden Instrumente nochmals zu überprüfen. «Mittelfristig muss eine neue Vorlage unbedingt auch internationale Komponenten enthalten, um mit dem eingesetzten Franken möglichst viel CO2 einzusparen.» Heisst: CO2-Zertifikate kaufen und so im Inland möglichst wenig machen.
Die Mitte hingegen favorisiert eine abgespeckte Version des versenkten Gesetzes, ohne Flugticketabgabe und Benzinzuschlag. Das unterstützt auch FDP-Ständerat Ruedi Noser (60), der zu den Verlierern gehört. «Klar ist, dass der Volksentscheid zu respektieren ist. Treibstoff verteuern oder eine Flugticketabgabe sind vom Tisch.»
Gletscher-Initiative wird der nächste Brocken
Die nächste klimapolitische Vorlage steht – linke Initiativen und bürgerliche Ideen hin oder her – mit der Gletscher-Initiative ohnehin bald auf der Agenda. Diese will die Ziele von Paris in der Verfassung festschreiben. Der Bundesrat will dem Vorhaben einen direkten Gegenvorschlag gegenüberstellen, die Botschaft dazu sollte er noch vor den Sommerferien vorlegen.
Selbst Bürgerliche erhoffen sich davon einen Neuanfang. «Wichtig ist, dass die Gletscher-Initiative jetzt schnell durchs Parlament und zur Abstimmung gelangt», sagt Noser. «Dann ist klar, ob die Bevölkerung das Netto-null-Ziel bis 2050 unterstützt – und bei einem Ja ist das auch in der Verfassung festgehalten.» Wenn diese Grundsatzfrage geklärt sei, könne man auch über Massnahmen reden, wie das Ziel zu erreichen sei. Ein Vorgehen, dass auch Sommaruga sinnvoll fände, wie sie sagte.
Für Marcel Hänggi, Kopf hinter der Gletscher-Initiative, ist das Scheitern ein Debakel. «Es ist einer breiten Allianz von Parteien nicht gelungen, der Bevölkerung die Dringlichkeit der Klimakrise bewusst zu machen.» Es sei zu viel übers Geld gestritten worden. «Das Nein heisst sicher nicht, dass es keine Mehrheiten für den Kampf gegen den Klimawandel gibt.»