Darum gehts
- SBB planen in ihrer Strategie 2050+ flexibleren, häufigeren und schnelleren Bahnverkehr
- Neu soll der Fokus auf mittleren und langen Strecken liegen, mit schnelleren Zügen und weniger Stopps
- An gewissen Bahnhöfen wollen die SBB deshalb nicht mehr halten
Es scheint, als wolle sie den Boden ebnen für weniger regionale Stopps. SBB-Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar (65) erwähnt derzeit gegenüber Medien besonders gerne, dass man in Zukunft schnellere Züge möchte und dafür an kleinen Bahnhöfen weniger halten wolle. Zuerst verkündete sie dies in der Deutschschweiz, kürzlich ging sie damit auch ins Westschweizer Radio RTS.
«Der langsamste Zug bestimmt die Geschwindigkeit des Systems», erklärte Ribar in der RTS-Morgensendung «La Matinale». Die Regionalzüge mit ihren häufigen Halten bremsen also das System.
Doch was heisst das konkret? «Die Bahn hat ihre Stärke auf mittleren und längeren Strecken. Wenn ein Zug weniger hält, können auf einer Strecke mehr Züge fahren und schneller», erklärt SBB-Mediensprecherin Sabrina Schellenberg. Auf kurzen Distanzen seien andere Verkehrsträger oft besser geeignet.
«Mut haben, über Tabus nachzudenken»
Droht ein Abbau? Die SBB betonen: Bevor ein Bahnhof nicht mehr bedient werde, brauche es mindestens eine gleichwertige Alternative, wie ein Tram, ein Postauto, einen Bus oder in Zukunft auch autonome Fahrzeuge. «Ziel ist, dass alle Menschen in 15 Minuten einen Bahnhof erreichen und dort alle 15 Minuten einen Zug haben», so Schellenberg.
So oder so ist dies noch Zukunftsmusik. Es sind nicht Ziele, die bei den SBB heute oder morgen angestrebt werden. Sie sind Teil der Standortbestimmung der SBB. Darin wird beschrieben, wie die Bahn ab Mitte des Jahrhunderts aussehen soll. Der Appell ist deutlich: Um flexibler und schneller zu werden, müsse man den Mut haben, bis 2050 über Tabus nachzudenken, heisst es im Bericht.
Konkret genannt werden das Knotenprinzip oder die Haltepolitik. Ersteres meint, dass Züge nicht mehr strikt nach dem Prinzip 0/15/30/45 fahren sollen, sondern die Zeiten flexibler gestaltet werden. Zweiteres zielt auf die Stopps ab: Die Bahn halte künftig weniger häufig und werde damit auch ohne Hochgeschwindigkeit schneller.
Abbau wäre «verheerend»
Dass SBB-Präsidentin Monika Ribar bereits jetzt den Weg für dieses Vorhaben bereitet, hat seine Gründe. Denn sollte es tatsächlich zu weniger Stopps kommen, dürfte der Widerstand gross sein. «Der Regionalverkehr darf nicht zulasten von Hochleistung auf das Abstellgleis gestellt werden», sagt Florence Brenzikofer (49), Grünen-Nationalrätin und Präsidentin der Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr (IGöV).
Ein Abbau regionaler Stopps wäre eine «verheerende Stossrichtung». Nachbar Frankreich habe diesen Fehler bereits gemacht. Dies würde zudem den beschlossenen Klimazielen widersprechen sowie den Zielen des Bundes, den ÖV-Anteil zu erhöhen, meint Brenzikofer. «Wenn weniger Bahnhöfe bedient werden, stärkt es den Individualverkehr und führt nicht zur gewünschten Verlagerung von der Strasse auf die Schienen.»
Die Schweiz habe sich gegen den Ausbau von Autobahnen ausgesprochen. «Wir müssen deshalb sicherstellen, dass an den Knotenpunkten, namentlich Bahnhöfen, der Umstieg auf den öffentlichen Verkehr verbessert wird mit Massnahmen wie Velo- und Auto-Sharing sowie Park & Ride.» Den steigenden Passagierzahlen müsse man unter anderem mit mehr Doppelstockzügen, längeren Zugskompositionen und einem dichteren Fahrplantakt begegnen.
System langfristig am Limit
Fest steht: Langfristig braucht es eine gute Planung. Denn die Passagierzahlen der SBB wachsen laufend. Vergangenes Jahr transportierten die SBB pro Tag rund 1,39 Millionen Menschen – so viele wie noch nie (Blick berichtete). Die SBB rechnen damit, dass diese Zahl noch erheblich steigen wird.