«Ich hatte das Gefühl, das Virus saugt mich aus»
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Sie haben Corona überstanden:Betroffene erzählen, wie sie die Krankheit erlebt haben

Regierungsrat Urs Hofmann musste ins Spital
«Ich hatte das Gefühl, das Virus saugt mich aus»

Der Aargau wurde von der Corona-Pandemie nicht besonders hart getroffen – wohl aber dessen Regierung: Drei von fünf Regierungsräten steckten sich an. Im Interview mit BLICK erzählt Polizeidirektor Urs Hofmann, wie es ihm ergangen ist.
Publiziert: 08.08.2020 um 09:15 Uhr
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Aktualisiert: 08.08.2020 um 11:38 Uhr
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Der Aargauer Regierungsrat Urs Hofmann ist selbst am Coronavirus erkrankt.
Foto: Thomas Meier
Interview: Lea Hartmann und Pascal Tischhauser, Bilder: Thomas Meier

Auf dem Weg ins Büro des Aargauer Regierungsrats Urs Hofmann (63) trifft man dieser Tage mehr Bauarbeiter als Büroangestellte an. Viele Mitarbeiter des Departements für Volkswirtschaft und Inneres, an dessen Gebäude gerade gebaut wird, sind in den Ferien. Und einige arbeiten im Homeoffice.

Hofmann hat bereits einen Teebaumknospen-Tee aufgesetzt, als er BLICK empfängt. Der Aargauer Regierungsrat wirkt entspannt und erholt. Eben erst ist er von drei Wochen Ferien zurückgekehrt. Ferien, die er dringend nötig hatte. Den Aargauer hat die Corona-Krise besonders stark getroffen. Er selbst ist Mitte März, als die Pandemie auf dem Höhepunkt war, am Virus erkrankt. Und mit ihm hat es die Mehrheit der Regierung erwischt. Auch der Regierungssprecher, der Polizeikommandant und zwei Amtsleiter sind teilweise heftig erkrankt. Mit BLICK wirft Hofmann einen Blick zurück.

BLICK: Herr Hofmann, wie geht es Ihnen?
Urs Hofmann: Ich fühle mich zwar nicht mehr krank. Aber ganz gesund bin ich noch nicht. Plötzlich kratzt es wieder in den Atemwegen, wie nach einer schweren Erkältung. Das ist schon sehr eigenartig.

Das Virus hat Sie schwer getroffen, Sie lagen Anfang April mehrere Tage im Spital. Was hatten Sie für Beschwerden?
Die Symptome waren zu Beginn weniger schlimm als bei einer normalen Grippe und klangen nach wenigen Tagen wieder ab. Doch nach einer Woche bekam ich plötzlich immer höheres Fieber – und mir ging es immer schlechter, sodass ich schliesslich ins Spital musste. Noch nie in meinem Leben fühlte ich mich so schwach. Seltsam war auch, dass ich kaum noch richtig schlafen konnte und wirre Träume hatte. So träumte ich, dass ich dauernd Aufträge bekäme, die ich nicht erfüllen könnte.

Hatten Sie Angst?
Ich wusste nie, was am nächsten Tag kommt. Aber trotzdem war ich zuversichtlich. Meine Frau hingegen hat mir im Nachhinein erzählt, dass sie vor Angst kaum schlafen konnte. Es haben sich zudem unwahrscheinlich viele Leute, die ich nicht einmal alle richtig kenne, bei mir gemeldet. Dieses Mitgefühl ist mir eingefahren. Eine Frau hat mir noch vor wenigen Tagen ein Kräuterelixier nach Hildegard von Bingen ins Milchchästli gelegt. Das nehme ich jetzt jeden Tag, um das Immunsystem zu stärken.

Der oberste Polizeidirektor geht

Der 63-jährige Jurist Urs Hofmann (63) verzichtet auf eine erneute Kandidatur als Aargauer Regierungsrat. Der SPler und Präsident der Konferenz der kantonalen Polizei- und Justizdirektoren (KKJPD) bleibt ein politischer Mensch. Ab Ende Jahr will er aber kein Amt mehr bekleiden. Vor seiner Wahl in die Kantonsregierung 2009 sass Hofmann zehn Jahre lang im Nationalrat. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. (pt)

Der 63-jährige Jurist Urs Hofmann (63) verzichtet auf eine erneute Kandidatur als Aargauer Regierungsrat. Der SPler und Präsident der Konferenz der kantonalen Polizei- und Justizdirektoren (KKJPD) bleibt ein politischer Mensch. Ab Ende Jahr will er aber kein Amt mehr bekleiden. Vor seiner Wahl in die Kantonsregierung 2009 sass Hofmann zehn Jahre lang im Nationalrat. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. (pt)

Sie mussten Ihr Departement wegen Ihrer Corona-Erkrankung vorübergehend abgeben. So etwas passiert extrem selten.
Zu Beginn habe ich noch vom Bett aus an den Skype-Sitzungen der Regierung teilgenommen. Doch nach der zweiten Woche war es so schlimm – da ging es einfach nicht mehr.

Wann haben Sie die Arbeit wiederaufgenommen?
Einen Monat lang war ich insgesamt weg. Danach begann ich, erst Teilzeit zu arbeiten: statt um 7 ging ich erst nach 8 Uhr ins Büro und am Abend früher heim. Nach einigen Tagen hat mich meine Frau gefragt, ob ich eigentlich mal gerechnet habe, was Teilzeit bei mir bedeutet. Ich war ja immer noch neun Stunden im Büro. (Hofmann schmunzelt.) Aber ich konnte es schon etwas lockerer nehmen.

Tatsächlich? War das Regieren in dieser Krisenzeit nicht extrem anspruchsvoll?
Klar, es herrschte eine Anspannung und auch eine gewisse Hektik. Aber umgekehrt sind auch alle gesellschaftlichen Anlässe weggefallen. Früher war ich praktisch jeden Abend unterwegs. Nun war ich plötzlich viel mehr zu Hause.

Haben Sie eigentlich eine Ahnung, wo Sie sich angesteckt haben?
Ich vermute, dass es bei der Arbeit passiert ist. Ich bin ja nicht der Einzige in der Regierung, der sich angesteckt hat. Wenige Tage bevor ich krank wurde, hatten wir noch eine letzte Regierungssitzung mit physischer Präsenz. Da sassen wir zwar schon genug weit auseinander. Doch beim Kommen und Gehen war der Abstand sicher nicht immer gegeben.

Haben Sie aufgrund Ihrer persönlichen Betroffenheit nun einen anderen Blick auf die Corona-Krise?
Die Haupterkenntnis ist für mich sicher, dass Corona wirklich nicht vergleichbar ist mit einer normalen Grippe. Ich bin grippeanfällig und hatte vor elf Jahren auch die Schweinegrippe. Bei einer schweren Grippe war das Fieber intensiver, aber das Coronavirus ist eine völlig andere Dimension. Ich hatte das Gefühl, dass das Virus im ganzen Körper steckt und mich aussaugt.

Eine Mehrheit Ihres Regierungsrats ist an Corona erkrankt. Da erstaunte es schon, dass ausgerechnet der Aargau eine raschere Lockerung der Schutzmassnahmen forderte.
Auslöser für das Schreiben war, dass die Detailhändler wieder ihr ganzes Sortiment verkaufen durften – andere Läden wie Blumenläden und Baumärkte hingegen weiterhin geschlossen blieben. Wir fanden, dass das nicht geht. Der Bundesrat ist dann schliesslich auch zurückgekrebst.

Kamen die weiteren Lockerungen zu schnell? Die Zahl der Neuansteckungen ist wieder besorgniserregend.
Ich persönlich war froh, als der Bundesrat die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr angeordnet hat. Es war erschreckend, dass ich manchmal der einzige im ganzen Wagen war mit Maske. Aber generell hielt ich das Tempo für vernünftig. Ich blicke eher mit Sorgen auf die nächsten Monate. Wir können nicht monatelang so weiterfahren. Der Bundesrat muss nun die schwierige Diskussion führen, wie es mit den Grossveranstaltungen weitergeht.

Was halten Sie für vernünftig?
Der Kanton Aargau hat sich dafür ausgesprochen, dass man mindestens für die Outdoor-Veranstaltungen eine Lösung findet. Dass diese zumindest mit beschränkter Kapazität wieder möglich sind. Denn gerade für den Sport wird es sonst eng.

Sie sind Präsident der kantonalen Polizei- und Justizdirektoren. Wie war die Zusammenarbeit mit dem Bund in der Krise?
Die Hauptschwierigkeit war, dass der Bundesrat an den Medienkonferenzen jeweils etwas verkündete – die Polizei die Erläuterungen zu den Beschlüssen aber erst einige Tage später erhielten. So wussten sie nicht recht, was gilt. Die grösste Auseinandersetzung hatten wir mit dem Bund zum Thema Demonstrationen. Die Obergrenze von 300 Personen war völlig unpraktikabel. Das haben wir auch von Anfang an gesagt, doch der Bundesrat wollte die Regel einfach durchstieren. Später hatte er ein Einsehen und hob die Höchstgrenze auf.

Bald gehören solche Diskussionen für Sie der Vergangenheit an: Ende Jahr treten Sie zurück. Freuen Sie sich auf die Zeit nach dem Regierungsrat?
Klar ist auch Wehmut dabei. Aber ich bin überzeugt, es ist der richtige Entscheid. Dabei hat sicher auch die Erfahrung dieses Jahrs mitgespielt.

Was kommt danach?
Auch wenn ich ein politischer Mensch bleibe, ein politisches Amt kann ich mir nicht mehr vorstellen. Sonst bin ich für vieles offen. Vor allem aber will ich auch mehr Zeit haben für das, was in den letzten 40 Jahren Politik zu kurz gekommen ist. Ich möchte zum Beispiel mein Spanisch auffrischen. Und ich plane, im nächsten Sommer möglichst viele Schwimmbäder zu besuchen. Vielleicht wird ein Badiführer draus, vielleicht auch nicht – wer weiss. Eines will ich auf jeden Fall vermeiden: Dass ich am Schluss noch mehr arbeite als bisher!

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