Parlament sagt am Freitag wohl Ja zur Vorlage
Gegner der Gesundheitsreform rüsten zum Referendum

Die Gesundheitsreform für eine einheitliche Finanzierung ist für die Schlussabstimmung parat – und dürfte die Hürde im Parlament meistern. Nun rüsten die Gegner fürs Referendum.
Publiziert: 22.12.2023 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 22.12.2023 um 09:51 Uhr
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Mit der geplanten Gesundheitsreform werden ambulante und stationäre Leistungen künftig aus einer Hand finanziert.
Foto: KEYSTONE/GAETAN BALLY
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Es ist die grösste Gesundheitsreform der vergangenen Jahre, doch gross ist auch der Widerstand gegen die neuste Revision des Krankenversicherungsgesetzes. Von Gewerkschaftsseite ist das Referendum bereits beschlossene Sache: Die Service-Public-Gewerkschaft VPOD will die Vorlage an der Urne zum Absturz bringen.

«Der VPOD wird am Freitag das Referendum lancieren, um gegen diese enorme Machtverschiebung hin zu den Krankenkassen zu kämpfen», bestätigt VPOD-Zentralsekretärin Viviane Hösli (39) gegenüber Blick. «Die Krankenkassen erhalten und verteilen dann Milliardenbeträge für Spitalbehandlungen und Heimaufenthalte – und das ohne jegliche demokratische Steuerung durch die öffentliche Hand.»

Voraussichtlich am 9. Januar 2024 wird die Bundeskanzlei die Referendumsvorlage im Amtsblatt veröffentlichen. Dann fällt auch offiziell der Startschuss für die Unterschriftensammlung.

Deutliches Ja im Parlament

Vorher muss das Geschäft noch im Parlament eine letzte Hürde nehmen: am Freitag in der Schlussabstimmung. Doch hier zeichnet sich ein deutliches Ja ab. Mitte, FDP und GLP werden die Vorlage unterstützen.

Die SVP hat sich nach viel Kritik an der Vorlage ebenfalls noch ins Ja-Lager geschlagen. Fraktionschef Thomas Aeschi (44) hat sich an der letzten Fraktionssitzung zwar für ein Nein starkgemacht, doch rund zwei Drittel der SVP sprachen sich für die Reform aus. Gespalten zeigt sich die Linke. Bei der SP halten sich befürwortende und ablehnende Stimmen in etwa die Waage. Auch die grünen Stimmen teilen sich. Damit dürfte das Gesetz im Nationalrat weit über 100 Stimmen erhalten.

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Nach 14 Jahren Debatte wollen viele Parlamentarier die Mega-Reform nun ins Ziel bringen. Bei der Vorlage geht es um die einheitliche Finanzierung der Gesundheitsleistungen in der obligatorischen Grundversicherung. Heute werden ambulante Behandlungen vollständig über die Krankenkassen abgerechnet, bei den stationären Leistungen – wenn man also über Nacht im Spital bleiben muss – übernehmen hingegen die Kantone mindestens 55 Prozent der Kosten. Neu sollen alle Abrechnungen über die Kassen laufen und die Kantone einen Anteil von mindestens 26,9 Prozent der Gesamtkosten berappen.

Prämienschub durch Pflege

Im Grundsatz ist die Idee fast unbestritten. Doch die Vorlage wurde im Parlament so umgebaut, dass sich neue Angriffspunkte ergeben. Ein grosser Streitpunkt ist der Einbezug der Langzeitpflege, welche nach einer Übergangsfrist ebenfalls aus einer Hand finanziert werden soll. Die Befürchtung ist gross, dass die Prämienlast durch den Einbezug der Pflege steigen wird. «Damit erhalten wir eine Blackbox», sagt SVP-Nationalrat Thomas de Courten (57, BL). Die Reform sei überladen. «Das werden wir bei den Prämien zu spüren bekommen», warnt er. Trotzdem will er den Fraktionsentscheid respektieren und am Freitag zustimmen.

Nein stimmen wird Grünen-Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber (64, ZH). Sie hat dabei auch das Gesundheitspersonal im Auge. «Mit dieser Reform steigt der Kostendruck in Heimen und Spitälern – und damit der Druck auf das Personal», sagt die frühere VPOD-Präsidentin. «Die Arbeitsbedingungen werden sich damit verschlechtern.»

Ambulantisierung vorantreiben

SP-Nationalrätin Barbara Gysi (59, SG) hingegen setzt sich für die Vorlage ein. Man müsse die Kosten dämpfen. Schon heute finde eine Verschiebung von stationär zu ambulant statt, wodurch die Grundversicherung belastet und die Kantone entlastet würden. «Diese Entwicklung schreitet voran, sodass vom Status quo einzig die Kantone profitieren würden.»

Aus Gysis Sicht ist die Reform «ein wichtiger gesundheitspolitischer Schritt und ausgewogener Kompromiss».

VPOD schmiedet Nein-Allianz

Der VPOD macht sich nun daran, Verbündete zu suchen, welche das Referendum unterstützen werden. So dürften auch die Gewerkschaften Unia und Syna das Referendum unterstützen, ebenso der Gewerkschaftsbund. Infrage kommt auch der Pflege-Berufsverband, welcher beim Stimmvolk bereits mit seiner Pflege-Initiative erfolgreich war. Der Verband werde Mitte Januar entscheiden, so Geschäftsführerin Yvonne Ribi (47).

Für die Gewerkschaften dürfte das Sammeln der 50'000 Unterschriften bis im April Formsache sein. Und so könnte die Gesundheitsreform noch im Jahr 2024 an die Urne kommen.

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