«Die Pandemie deckt grosse Schwachstellen auf», findet SVP-Nationalrat und IT-Unternehmer Franz Grüter (57, LU). «Die Corona-Krise ist ein Weckruf gerade für das Gesundheitswesen, wo die Digitalisierung noch wenig fortgeschritten ist.»
Regelmässig kommt es in der Corona-Krise zu IT-Pannen. Neustes Beispiel ist die nur langsam in die Gänge kommende Impfoffensive. Auch hier hapert es noch bei der Software. So hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ein IT-Instrument für die Anmeldung zu den Corona-Impfungen geschaffen. Allerdings ist noch kaum ein Kanton in der Lage, die Software zu nutzen – weil sie erst noch getestet werden muss.
«Wir bitten Sie weiterhin um Geduld»
Anderes Beispiel: Kaum waren Anfang Jahr im Kanton Zürich die Impftermine online, brach das Reservationssystem zusammen. Hochrisikopatienten müssen sich via Hausarzt für einen Termin anmelden lassen. Auf Montag versprachen die Zürcher ein neues Anmeldesystem. Am Freitag mussten sie mitteilen, dass bis Ende Januar online keine Termine buchbar sind. «Wir bitten Sie weiterhin um Geduld», schreibt der Kanton auf seiner Internetseite.
Frust auch in Solothurn: Auf der Telefonlinie für Impftermine hiess es zum Impfstart immer mal wieder: «Diese Rufnummer ist ungültig.» Der Kanton Solothurn entschuldigte sich daraufhin via Twitter für den Fehler und versprach, die Online-Anmeldung des Bundes einzusetzen, sobald diese funktionsfähig ist.
«Das sind grundsätzliche Probleme»
«Die Probleme sind teilweise offensichtlich», sagt Grünen-Nationalrat und IT-Unternehmer Gerhard Andrey (44, FR). So seien bei Bund und Kantonen in der Digitalisierung teilweise grosse Unterschiede feststellbar: «Das sind grundsätzliche Probleme. Die verschiedenen IT-Lösungen sind nämlich nicht flächendeckend aufeinander abgestimmt.» Andrey vergleicht es mit einem gemeinsamen Schienennetz, bei welchem jedes Bundesamt mit einer anderen Spurbreite arbeitet. Das sei nicht nur ineffizient, sondern auch fehleranfällig.
Das zeige sich nun exemplarisch im Gesundheitswesen. «Die digitale ‹Fitness› des Staates muss sicher weiter verbessert werden», sagt Andrey. «Wenn der Staat zum Beispiel nicht fähig ist, wie der Bundesrat behauptet, selber eine elektronische ID auszustellen, haben wir ein Problem auch in anderen Digitalisierungsprojekten.»
«Hier ist der Staat doch eher langsam, träge und bürokratisch»
In unguter Erinnerung sind auch noch die zahlreichen Falschmeldungen, die aus der Meldungsbürokratie bei neuen, positiv getesteten Corona-Fällen hervorgegangen sind. Ärztinnen und Ärzte mussten für klinische Befunde von Hand ein Formular ausfüllen und ans BAG schicken – per Fax. Regelmässig kam es zu Fehlern.
Die Corona-Krise macht deutlich, wie weit die Digitalisierung im Gesundheitswesen anderen Bereichen hinterherhinkt. Wetterprognosen oder Börsenkurse sind in Echtzeit abrufbar. Bei den Fallzahlen kam es wiederholt zu Pannen. Und während man mit E-Banking schon seit Jahren jederzeit von irgendwo auf der Welt den Kontostand abfragen kann, liegt das Gesundheitsdossier beim Arzt, handschriftliche Notizen auf Papier.
«Hier ist der Staat doch eher langsam, träge und bürokratisch», sagt SVP-Nationalrat Grüter. Der gesamte IT-Bereich sei auf den verschiedenen Staatsebenen übergreifend aufeinander abzustimmen, ergänzt Ratskollege Andrey. Der Nachholbedarf sei mancherorts riesig. «Hier zeigt sich, dass die Digitalisierung mit grossen Schritten voranzutreiben ist», sagt Grüter.