Der Nationalrat diskutierte am Dienstagvormittag über eine gesetzliche Grundlage zur Schaffung einer Stromreserve. Im Zentrum standen aber Überbrückungshilfen für die wirtschaftlich angeschlagene Stahl- und Aluminiumindustrie. Der Nationalrat gibt dieser Staatshilfe nun mit 108 zu 84 Stimmen bei drei Enthaltungen grünes Licht. Dabei hat die grosse Kammer auch entschieden, die Hilfsklausel in einen separaten Erlass zu giessen.
Demnach sollen «strategisch bedeutende Unternehmen» der Stahl- und Aluminiumproduktion unter Auflagen finanziell entlastet werden. Konkret: Während vier Jahren sollen die Netznutzungsentgelte für diese Unternehmen gestaffelt reduziert werden. Um 50 Prozent im ersten Jahr, um 37,5 Prozent in zweiten, um 25 Prozent im dritten und um 12,5 Prozent im vierten Jahr.
An Bedingungen geknüpft
Von den Unterstützungsplänen profitieren könnten Stahl Gerlafingen, Swiss Steel in Emmenbrücke und die Walliser Aluminiumgiesserei Novelis. Allerdings wird die Hilfe an Bedingungen geknüpft. Die Parlamentarier verlangen von den Firmen Standortgarantien, nachhaltige Investitionen, Transparenz wie auch einen Dividendenverzicht. Und werden diese Kriterien nicht eingehalten, müssen die Firmen die betroffenen Gelder zurückzahlen.
SP-Nationalrat Jon Pult (40, GR) machte sich in der Debatte für die Hilfsklausel stark. «Schweizer Stahl ist bedeutend ökologischer als ausländischer Stahl», betonte er. Zudem sei er ein wichtiger strategischer Teil der Kreislaufwirtschaft. Auch Mitte und Grüne sprachen sich mehrheitlich für die Hilfe aus.
Minderheit will keine Industriepolitik
SVP, FDP und GLP stellen sich mehrheitlich gegen die Unterstützung. Es sei bisher immer von Vorteil gewesen, keine Politik für einzelne Branchen und Unternehmen zu machen, so die Kommissionsminderheit. Die aktuell schwierige Situation der Stahl- und Aluminiumproduktion sei kein Grund, von diesem Grundsatz abzuweichen.
Eine «verfehlte links-grüne Energiepolitik» habe diese Unternehmen an den Rand des Abgrunds getrieben, wetterte SVP-Nationalrat Mike Egger (32, SG). Er sprach von einer «Lex Karl Marx», die mit der Hilfe geschaffen werde, von einem «staatlichen Rettungsdienst». Da mache die SVP nicht mit.
Ähnlich tönte es bei FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher (57, SG): «Eine Industriepolitik durch die Hintertüre lehnen wir ab.» Damit würden Begehrlichkeiten anderer Branchen geweckt. Sie sprach von einer «Lex Gerlafingen».
GLP-Nationalrat Martin Bäumle (60, ZH) störte sich an der «unheiligen Allianz aus Solothurnern, Luzernern und Wallisern». Die Kosten würden einfach den Konsumenten aufgebürdet. Und: «Diese Unternehmen haben keine Systemrelevanz.» Er warnte aber vergeblich davor, mit der Sonderklausel die Büchse der Pandora zu öffnen.
Geschäft geht an Ständerat
Der Bundesrat hatte bislang eine staatliche Förderung einzelner Unternehmen oder Branchen abgelehnt. Energieminister Albert Rösti (57) machte aber deutlich, dass ihm eine gesetzliche Regelung lieber sei als Notrecht. Er betonte zudem, dass die Verwaltung bereits daran sei, die Kriterien für die Staatshilfe genauer zu präzisieren. Das Geschäft geht nun an den Ständerat. Stahl Gerlafingen im Kanton Solothurn wartet die politischen Entscheide auf Bundesebene ab und verzichtet vorerst auf den Abbau von 120 Stellen.
Übrigens, auch die wieder separat geführte Vorlage zur Änderung des Stromversorgungsgesetzes fand im Nationalrat eine klare Mehrheit. Mit der Einrichtung einer Stromreserve sollen die Versorgungssicherheit garantiert und die Auswirkungen auf Umwelt und Klima sowie die Kosten für die Stromverbrauchenden minimiert werden.