Peter Spuhler hat Zweifel
Parlamentarier wollen Stahlwerke retten – jetzt könnte es schnell gehen

Gegen den Widerstand des Bundesrats gleisen gleich mehrere Parlamentskommissionen Nothilfe-Massnahmen für die schlingernde Schweizer Stahlindustrie auf. Schon im Dezember wollen sie Nägel mit Köpfen machen.
Publiziert: 11:44 Uhr
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Aktualisiert: 12:45 Uhr
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Hiobsbotschaft am frühen Freitagmorgen: Der angeschlagene Stahlkonzern Swiss Steel muss rund 800 der insgesamt etwa 7500 Stellen abbauen.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • Parlament will Schweizer Stahlindustrie retten. Bundesrat zeigt sich zurückhaltend
  • Ständerätliche Wirtschaftskommission stimmt drei Vorstössen für Unterstützungsmassnahmen zu
  • Swiss Steel baut rund 800 von 7500 Stellen ab
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Daniel BallmerRedaktor Politik

Bundesbern ist aufgerüttelt. Seit Wochen debattiert die Politik über das Stahlwerk Gerlafingen SO, das vor dem Aus steht. Am Freitag folgte die Hiobsbotschaft aus Emmenbrücke LU: Der angeschlagene Stahlkonzern Swiss Steel greift zu harten Einschnitten. Wegen der schwachen Nachfrage baut das Innerschweizer Unternehmen rund 800 der insgesamt etwa 7500 Stellen ab.

Dem will das Parlament nicht länger tatenlos zusehen. Am Freitag hat die ständerätliche Wirtschaftskommission gleich drei Vorstössen mit deutlichen Mehrheiten zugestimmt. «Der Bundesrat wird damit beauftragt, rasch zusätzliche Massnahmen zu verfolgen, um die Stahlproduktion in der Schweiz zu erhalten», wie Kommissionspräsident Hans Wicki (60, FDP) berichtet.

Kommissionen gleisen dringliche Massnahmen auf

Gleichzeitig wollen die Wirtschaftspolitiker den Bundesrat beauftragen, der schlingernden Stahlindustrie eine Übergangsfinanzierung zur Verfügung zu stellen, um den Produktionsstandort Schweiz zu sichern und die Kreislaufwirtschaft zu erhalten. Die Vorstösse würden nicht zwingend Handeln per Notrecht verlangen, betont die Kommissionsmehrheit. Klar aber ist: Der Bundesrat soll handeln!

Auch wenn man eine Industriepolitik grundsätzlich nicht befürworte, sei angesichts der existenziellen Bedrohung der beiden Stahlwerke Gerlafingen und Emmenbrücke Handlungsbedarf gegeben. Im Interesse der Versorgungssicherheit des Landes und der Nachhaltigkeit müssten Rahmenbedingungen für die Schweizer Stahlindustrie geschaffen werden, die ihr eine Weiterexistenz erlauben.

«Der Bundesrat muss endlich handeln, um über 500 Arbeitsplätze zu sichern und die Abhängigkeit vom Ausland in einem so existenziellen Bereich zu vermeiden», sagt etwa die Solothurner SP-Ständerätin Franziska Roth (58). Eine Verlagerung der Stahlproduktion ins Ausland würde die Versorgung mit Baustahl gefährden und die inländische Kreislaufwirtschaft schwächen.

Schon kommenden Montag wird sich zudem auch die nationalrätliche Umwelt-, Verkehrs- und Energiekommission über das Thema beugen. Dem Vernehmen nach sucht auch sie nach Rettungsmöglichkeiten. Die Rede ist etwa von einem dringlichen Bundesgesetz, mit dem die Stahlindustrie von den sehr hohen Energiekosten entlastet werden kann. Schon in der im Dezember startenden Wintersession sollen Nägel mit Köpfen gemacht werden.

Bundesrat zeigt sich zurückhaltend

Die Debatte um die Zukunft der Schweizer Stahlindustrie hat die politische Bühne schon länger erreicht. Ende Oktober demonstrierten 500 Menschen auf dem Bundesplatz für die Rettung des Stahlwerks Gerlafingen. Auch verschiedene Parlamentarier waren vor Ort. Ihre Argumentation: Wenn der Bund Banken rettet, muss er auch die letzten Stahlwerke der Schweiz schützen.

Bei SVP-Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) sind bisher aber sämtliche Hilferufe auf taube Ohren gestossen. Es seien für das Stahlwerk Gerlafingen zwar verschiedene Massnahmen geprüft worden. Doch: Das Werk sei nicht systemrelevant, staatliche Eingriffe hält Parmelin daher für nicht angebracht. Sein Departement argumentiert, Stahl sei ein weltweit gehandeltes Gut mit vielen alternativen Lieferanten.

Unterstützung gefunden haben soll der zurückhaltende Bundesrat etwa bei der FDP. Die Kommissionsminderheit wolle kein Präjudiz schaffen, argumentiert Präsident Wicki. Mit dem Verweis auf Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit könnten auch weitere Industriezweige Unterstützungsmassnahmen des Bundes verlangen – etwa die Zementindustrie oder Sägereien.

Ähnlich tönt es aus Wirtschaftskreisen. «Ich setze mich sehr für eine liberale Wirtschaftspolitik ein», sagt Unternehmer Peter Spuhler (65). Subventionen oder eine staatlich verordnete Industriepolitik halte er grundsätzlich für falsch. Andererseits profitierten die Konkurrenten der Schweizer Stahlwerke in Europa eben auch von vergünstigen Energiepreisen. «Doch ob staatliche Unterstützung in diesen Bereich der richtige Weg ist, das würde ich bezweifeln», so alt SVP-Nationalrat Spuhler.

Standortgarantien werden erwartet

«Mit diesen Entscheiden können wir den beiden Stahlwerken und ihren Beschäftigten eine Perspektive bieten», kommentiert etwa Mitte-Ständerat Pirmin Bischof (65, SO) gegenüber Blick. Gegen den geballten Widerstand des Bundesrats sei es gelungen, über fast alle Parteigrenzen hinweg eine tragfähige Lösung «im Interesse des Werkplatzes Schweiz» zu erarbeiten.

Bischof sieht aber auch die Spitzen der beiden Stahlwerke in der Pflicht: «Das Parlament macht seinen Job. Von den Unternehmensleitungen erwarte ich, dass sie zumindest bereit sind, gewisse Standortgarantien abzugeben.»

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