Millionendefizite und Rücktritte bei Behindertenorganisation
Bei Pro Infirmis rumort es gewaltig

Eine weitere NGO, bei der der Haussegen schief hängt: Bei der Behindertenorganisation Pro Infirmis klafft ein riesiges Loch in der Kasse. Unzufriedene Vorstandsmitglieder nehmen Reissaus.
Publiziert: 09.06.2023 um 09:30 Uhr
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Die Organisation Pro Infirmis setzt sich für Menschen mit Behinderungen ein.
Foto: keystone-sda.ch

Was ist nur los bei den Nichtregierungsorganisationen (NGO)? Querelen beim Schweizerischen Roten Kreuz (SRK). Seit dem Rauswurf des Direktors und dem Rücktritt der Präsidentin steht das grösste Hilfswerk der Schweiz weitgehend führungslos da.

Auch beim Schweizerischen Tierschutz-Dachverband rappelt es im Karton. Interne Dokumente zeugen von Missständen: Eine autoritäre Führung, Streitereien – und Hinweise auf finanzielle Unregelmässigkeiten.

18 Millionen Franken Verlust

Nun decken Recherchen von SRF auf, dass auch bei Pro Infirmis der Haussegen schief hängt. Gemäss Jahresrechnung klafft in der Kasse der Behindertenorganisation ein Loch von 18 Millionen Franken.

Die eine Hälfte des Verlusts sei budgetiert gewesen, sagt eine Sprecherin von Pro Infirmis dem SRF. Die andere auf Wertverluste an den Finanzmärkten zurückzuführen. Nur: Im Jahr 2021 war das Minus nur halb so hoch wie 2022.

Grund für das Defizit: Die Nachfrage an Dienstleistungen wie Beratungen und Begleitungen sei gestiegen, sagt Pro Infimis. Man habe demnach mehr Aufgaben zu erfüllen gehabt als vorgesehen.

Vorstand nicht mehr beschlussfähig

Die dadurch entstandenen Kosten seien nicht durch den Leistungsvertrag mit dem Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) gedeckt. Die Behindertenorganisation hält fest, dass die Kosten nicht aus dem Lot seien, es gebe eine Planung für die kommenden zehn Jahre.

Pro Infirmis stehen pro Jahr rund 100 Millionen Franken zur Verfügung. Etwas mehr als die Hälfte davon kommt von Bund und BSV. Der Rest kommt durch Spenden und Legate zusammen.

Bloss: Als wäre die finanzielle Schieflage nicht schon genug, kämen auch interne Querelen und Unstimmigkeiten dazu, weiss SRF. Offenbar ist der Vorstand seit mehreren Monaten nicht mehr beschlussfähig, weil Ende des vergangenen Jahres gleich vier Mitglieder Reissaus genommen haben. Aus Unmut über interne Vorgänge und den eingeschlagenen Weg.

«Teil eines normalen Wandlungsprozesses»

Gemäss den Statuten von Pro Infirmis besteht das Gremium aus einem Präsidenten oder einer Präsidentin sowie acht Mitgliedern. Um beschlussfähig zu sein, müssten fünf Mitglieder an einer Vorstandssitzung anwesend sein.

Die Organisation bestätigte dem SRF, dass der Vorstand seit Anfang Jahr nicht mehr beschlussfähig sei. Hält allerdings fest, dass Rücktritte Teil eines «normalen Wandlungsprozesses» im Vereinswesen seien.

Am 23. Juni findet die Delegiertenversammlung statt. Dann soll gemäss Pro Infirmis auch der Vorstand wieder komplettiert werden. (oco)

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