Am Donnerstag löste der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine weltweit Schockwellen aus. Heute Freitag sind Streitkräfte bereits in die Hauptstadt Kiew eingefallen.
Der Westen verschärft seine Sanktionen gegen Russland. Die Schweiz schliesst sich dem nicht an, sondern verhindert lediglich, dass die Sanktionen der anderen umgangen werden können. Am Freitag Mittag musste sich der Bundesrat dafür rechtfertigen. Dabei hatte das eigentliche Thema, nämlich die europapolitische Zukunft der Schweiz, schon Sprengkraft genug.
Nur Massnahmen zur Umgehung
«Neutralität heisst nicht Gleichgültigkeit», wiederholte Bundespräsident Ignazio Cassis (60) sein Statement vom Donnerstag. Er begründete die Schweizer Zurückhaltung damit, dass die Neutralität eben eine «differenzierte Position» verlange. Ziel sei damit, die Türen offen zu behalten, um diplomatisch vermitteln können.
«Würde die Schweiz die Sanktionen anderer Staaten automatisch übernehmen, könnte sie ihre traditionelle Rolle nicht mehr glaubwürdig übernehmen», ergänzte Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62, SVP). Die Schweiz ergreife aber Massnahmen, um zu verhindern, zur Plattform für die Umgehung der EU-Sanktionen zu werden.
Mit diesen Massnahmen sei man schon nahe an der EU, führte Parmelin weiter aus. So gelten die Reiseverbote gegen Angehörige der russischen Duma und weitere russische Staatsbürger auch für die Schweiz, die entsprechende Verordnung tritt am Freitagabend in Kraft. Hier ist die Schweiz durch die Schengen-Mitgliedschaft zur Übernahme gezwungen.
Wesentlicher Unterschied zur EU bleibt aber, dass hierzulande russische Konten künftig zwar gemeldet werden müssen – die Vermögen darauf aber nicht eingefroren werden.
Wirre Kommunikation
Von fast allen Seiten hagelte es deshalb innenpolitisch bereits Kritik - ebenso wie für die bislang wirre Kommunikation. Am Donnerstag hatte die Landesregierung reihenweise frustrierte Medienschaffende und eine irritierte Öffentlichkeit zurückgelassen. Denn während der Aussennminister an einem Treffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit Europas (OSZE) teilnehmen musste, war von den anwesenden Bundesbeamten kaum eine klare Antwort zu bekommen.
Dafür rechtfertigte sich Cassis nun im Nachhinein: «Es war der erste Tag einer sehr schwierigen europapolitischen Lage», sagte er, «vielleicht der erste Tag einer neuen Sicherheitsarchitektur in Europa.» Da habe man sich nicht in Details verlieren wollen und es bei der Präsidialerklärung belassen.
Neue Antworten, alter Inhalt
Dieses Mal stellten sich immerhin drei Bundesräte den Fragen der Journalistinnen und Journalisten. Justiziministerin Karin Keller-Sutter (58, FDP) nannte – als erste in der Landesregierung – den Konflikt einen Krieg, und versicherte, dass die Schweiz bereit sei, Flüchtlinge aufzunehmen.
Es waren klarere Worte als noch am Vortag. Die Inhalte aber blieben dieselben: Gegenüber Russland und Präsident Wladimir Putin Haltung zu zeigen, überlässt die Schweiz weitgehend den anderen.