Man fährt seltener Zug, seit Corona die Schlagzeilen beherrscht. Der Zürcher Hauptbahnhof ist aber nach wie vor ein guter Treffpunkt, wenn man in verschiedenen Regionen wohnt. Nun sind jedoch alle überrascht, dass statt eines Restaurants eine Baustelle die Anreisenden erwartet. Eine Alternative ist zum Glück rasch gefunden, um den einstigen FDP-Nationalrat und Kopf der Mediengesetz-Gegner, Peter Weigelt (65), zu interviewen. Er erklärt, weshalb er sich für ein Nein am 13. Februar einsetzt und wie den Medien aus seiner Sicht besser geholfen werden könnte als mit dem geplanten 150-Millionen-Franken-Gesetz.
Blick: Herr Weigelt, warum wehren Sie sich gegen die Medienvielfalt?
Peter Weigelt: Das mache ich nicht. Ich wehre mich gegen den Medien-Einheitsbrei und die monopolisierte Medienstruktur der Schweiz. Man kämpft ja auch nicht gegen das Lädelisterben, indem man Migros und Coop mit Steuermillionen subventioniert.
Fakt aber ist, dass immer mehr Zeitungen verschwinden.
Aber die Zahl der Medien insgesamt steigt. Zwar werden Zeitungen zusammengelegt, aber es entstehen gerade online interessante neue Angebote. Im Übrigen nimmt die Zahl der Zeitungen weniger stark ab, als der Bund behauptet: Wenn zwei Gemeinden fusionieren, entsteht auch aus den beiden ihnen zugeordneten Gratisanzeigern auf dem Papier ein einziger – dass das schon zuvor faktisch derselbe Anzeiger war, wird verschwiegen.
Sie selbst sind Verleger des Online-Portals «Die Ostschweiz». Die Zeitung mit diesem Namen existiert in St. Gallen längst nicht mehr. Zeitungstitel verschwinden sehr wohl.
Das bestreite ich nicht. Als ich in St. Gallen FDP-Sekretär war, gab es noch die Arbeiterzeitung der SP, die CVP-Zeitung «Die Ostschweiz», das «Tagblatt» der Freisinnigen und noch einen ganz grossen Gratisanzeiger. Damals gab es eben nicht nur eine Titelvielfalt, sondern tatsächlich auch Meinungsvielfalt.
Räumen Sie ein, dass es für viele kleine Zeitungstitel schwierig geworden ist und dass die Werbeindustrie ein grosses Gewicht hat, da die Abonnenten wegbrechen?
Es gehen nicht nur die Auflagen, sondern auch die Inserate zurück. Natürlich ist ein Printmedium für viele Werbende nicht mehr so attraktiv, weil es bloss eindimensionale Werbung abbildet, während ich online mit Emotionen und Videos arbeiten kann. Online-Werbung kann zudem gezielt angezeigt werden, und der Leser kann gleich draufklicken. Das ist es ja:
Mit dem Mediengesetz versucht man ein Modell zu retten, das sich überlebt hat.
Jetzt reden Sie auf Ihre eigene Mühle. Sie preisen nun quasi die Vorteile Ihres Online-Angebots. Was stört Sie denn am meisten am Mediengesetz?
Das Gros des Geldes würde zu Grossverlagen wie Ringier fliessen, zu dem ja auch der Blick gehört. Und just diese Verlage sind mitschuldig daran, dass es den kleinen Blättern schlecht geht. Denn nicht Facebook und Google haben den Lokal- und Regionalzeitungen die Kleininserate genommen, sondern Tamedia und Ringier. Wohlgemerkt: Die beiden Verlage haben das unternehmerisch super gemacht. Aber die Kleinen bekommen zu spüren, dass die Inserate jetzt bei Scout und Homegate geschaltet werden und nicht mehr bei ihnen.
Sie sprechen die Online-Marktplätze an.
Die Ringier und Tamedia gerade zusammengelegt haben. Der Wert dieser neuen Firma wird mit 2,7 Milliarden Franken bewertet. Das hat den Kurs der TX Group, also von Tamedia, derart beflügelt, dass das Unternehmen nun Sonderdividenden ausschüttet.
Diese und andere Verlage geben wichtige Medien heraus – gerade wenn es um die Berichterstattung zur nationalen Politik geht. Es braucht auch die Grossen.
Ja, aber sie brauchen das Geld nicht. Ich akzeptiere nicht, dass die grossen Verlage aus den Erfolgsrechnungen alle Erträge rausnehmen und dann behaupten, Journalismus rechne sich nicht mehr, jetzt müsse der Staat einspringen. Ich weiss, Quersubventionierungen sind heikel, aber in einer Transformationsphase wie heute braucht es diese.
Nochmals: Sie tun so, als wären nur die kleinen Blätter wichtig. Das Gesetz ist doch ein Kompromiss, damit auch die Grossen mitziehen.
Es ist umgekehrt: Es ist ein Gesetz für die Grossen und als Feigenblatt gibt man auch den Kleinen etwas. Den Löwenanteil der Gelder bekommen die Grossverlage.
Den kleinen Zeitungen werden schon heute die Transportkosten vergünstigt. Was spricht denn dagegen, das auch bei grossen zu tun?
Von den zusätzlichen 20 Millionen Franken profitieren hauptsächlich die Grossen. Und es gibt obendrauf noch 40 Millionen für die Früh- und Sonntagszustellung. Das geht wieder an die Grossen. TX-Chef Pietro Supino schreibt im Anlegerbrief der ZKB, er erwarte von diesen 60 Millionen Subventionen 20 Millionen. An Ringier dürften acht fliessen und an CH Media etwa zwölf Millionen. Zwei Drittel der 60 Millionen gehen zu den grossen drei.
Was der Bund bestreitet.
Dass 75 Prozent der indirekten Presseförderung an die Kleinen gehen, wie Medienministerin Simonetta Sommaruga behauptet, stimmt einfach nicht. Sondern es ist so, wie ich das eben erklärt habe.
Es sieht ja danach aus, also ob Sie die Abstimmung gewinnen würden. Was dann?
Es braucht ein Leistungsschutzgesetz. Wenn Google und Facebook von der Weiterverbreitung von Artikeln profitieren, müssen sie dafür bezahlen. Das dürfte den Medien 100 bis 150, ja vielleicht 180 Millionen Franken jährlich einbringen, vor allem den Grossen – und das wäre dieses Mal okay, weil sie die entsprechenden Inhalte produzieren. Zusätzlich würde ich Hand bieten zu einer Aufstockung der bisherigen indirekten Presseförderung von heute 30 auf neu 40 oder 50 Millionen Franken, sofern der Empfängerkreis derselbe bleibt. Und noch was …
Ja?
Schon länger propagiere ich ein Gutschein-Modell: Jede Bürgerin und jeder Bürger soll ab einem gewissen Alter einen Gutschein für ein Zeitungsabo in einer fixen Höhe erhalten. Beispielsweise 300 Franken. Kostet ein Abo mehr, muss sie oder er halt dazuzahlen. So würde man auch die Jungen wieder an die Zeitung heranbringen.
Und die Radio- und TV-Gebühren? Erfolgt hier ein erneuter Angriff?
Von mir nicht. Ich bin Demokrat. Das Stimmvolk hat sich für die Beibehaltung der bisherigen Gebühren ausgesprochen. Das akzeptiere ich.
Vor Ihrem Engagement gegen das Mediengesetz war es politisch ruhig um Sie geworden. Was machen Sie nach der Abstimmung – haben Sie Blut geleckt?
Keine Angst, mein politisches Engagement endet am Montag nach der Abstimmung. Ganz sicher. Es ist ja nicht immer so angenehm. Befürworter wie Gegner müssen heute massive Drohungen aushalten. In meiner Zeit als Parlamentarier war die Kritik aus der Bevölkerung gesitteter. Ich bin in einem Alter, in dem man sich angenehmeren Dingen widmen darf.