Manifest gegen Pensionskassen-Reform
Frauenbündnis attackiert «BVG-Bschiss»

Rund 60 prominente Frauen lancieren ein Manifest gegen die Pensionskassen-Reform. Darunter Ex-Miss-Schweiz Melanie Winiger oder Autorin Sibylle Berg. Sie befürchten, dass unter dem Strich viele Frauen mehr zahlen, ohne dass sich ihre Rentensituation verbessert.
Publiziert: 10.06.2024 um 13:09 Uhr
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Aktualisiert: 10.06.2024 um 23:08 Uhr
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Ein Frauenbündnis wehrt sich gegen die Pensionskassen-Reform. Dazu gehört Unia-Chefin Vania Alleva.
Foto: keystone-sda.ch
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Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Die Pensionskassen-Reform sorgt für Zoff im Frauenlager. Der Frauendachverband Alliance F hat vor kurzem die Ja-Parole zur Revision der beruflichen Vorsorge (BVG) gefasst. Doch jetzt setzt ein Frauenbündnis zum Konter an: Über 60 Vertreterinnen aus Politik, Kultur und Gesellschaft lancieren ein Manifest, in dem sie gegen den «BVG-Bschiss» protestieren und sich für ein Nein am 22. September starkmachen.

Der Zeitpunkt kommt nicht von ungefähr. Nach der gewonnenen Abstimmung über die 13. AHV-Rente und der Niederlage bei der Prämien-Initiative steht mit der BVG-Reform die nächste sozialpolitische Auseinandersetzung an. Mit dem Manifest bereitet das Frauenbündnis auch das Feld für den Frauenstreik am 14. Juni vor, in dessen Rahmen ebenfalls Proteste gegen die Vorlage geplant sind.

Unia-Chefin: «Verkorkste Reform»

Zu den Erstunterzeichnerinnen gehört Unia-Chefin und Gewerkschaftsbund-Vize Vania Alleva (54). «Diese verkorkste Reform bringt höhere Lohnabzüge, während die Renten bei den meisten weiter sinken», sagt sie. Das Problem der tiefen Frauenrenten wird damit nicht gelöst, obwohl die Kosten pro Arbeitnehmende um bis zu 2400 Franken pro Jahr steigen würden.

Vor allem Arbeitnehmende mit tiefen Löhnen, meist Frauen, könnten sich das gar nicht leisten. «Wie sollen ihre Löhne noch zum Leben reichen? Mehr bezahlen für weniger Rente?», so Alleva. «Zu diesem BVG-Bschiss sage ich Nein.»

Das sind die Eckwerte der Pensionskassen-Reform

Es war ein hochfliegendes Reformprojekt des damaligen SP-Sozialministers Alain Berset (52): die Altersvorsorge 2020, mit der er AHV und Berufliche Vorsorge (BVG) gleichzeitig reformieren wollte. Doch in der Abstimmung 2017 folgte der Absturz. Mit 52,7 Prozent Nein schickte das Stimmvolk die Rentenreform bachab.

Daraufhin packten Bundesrat und Parlament die beiden Säulen getrennt an. Einen knappen Abstimmungserfolg verbuchte Berset zusammen mit der bürgerlichen Parlamentsmehrheit letztens bei der AHV-Reform, mit der eine Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 erfolgte.

Nun ist die Pensionskassen-Reform an der Reihe, die eine bürgerliche Mehrheit im Parlament gegen den Widerstand der Linken durchgebracht hat. Linke und Gewerkschaften haben erfolgreich das Referendum ergriffen, sodass das Stimmvolk nun am 22. September 2024 über die Reform entscheiden wird.

Das sind die wichtigsten Eckwerte:

Tieferer Umwandlungssatz

Der Mindestumwandlungssatz im BVG-Obligatorium soll von heute 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent sinken. Das bedeutet: Auf 100'000 Franken angespartes Alterskapital gibt es nur noch 6000 statt 6800 Franken Rente pro Jahr. Das führt zu einer Rentenlücke von rund 12 Prozent.

Rentenzuschlag für Übergangsgeneration

Es ist das eigentliche Herzstück der Vorlage. Die drohende Rentenlücke soll über einen Rentenzuschlag ausgeglichen werden. Allerdings nur für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen. Zudem wird er nach Alter und Einkommen abgestuft. Für die ersten fünf Jahrgänge gibt es maximal 200 Franken monatlich, dann sinkt er ab. Wer weniger als 220'500 Franken in der Pensionskasse hat – etwa ein Viertel der Versicherten – bekommt den vollen Zuschlag. Ein weiteres Viertel mit bis 441'000 Franken Altersguthaben erhält einen Teilzuschlag. Wer mehr Geld im Rentenkässeli hat, geht leer aus. Gut die Hälfte der Versicherten bekommt also nichts. Finanziert wird der Rentenzuschlag über Lohnabzüge – allerdings begrenzt bis 176'400 Franken.

Flexibler Koordinationsabzug

Vom sogenannten Koordinationsabzug hängt ab, wie hoch der versicherte Lohn ausfällt. Einkommen minus Koordinationsabzug ergibt die versicherte Lohnsumme. Galt bisher ein fixer Abzug von 25'725 Franken, soll dieser neu 20 Prozent des Einkommens betragen. Das BVG-Obligatorium gilt bis 88'200 Franken Einkommen. Der Abzug würde in diesem Fall also 17'640 Franken ausmachen. Unter dem Strich bleibt somit ein versicherter Lohn von 70'560 Franken. Auf Letzterem müssten also die Lohnbeiträge bezahlt werden.

Angepasste Altersgutschriften

Die Lohnbeiträge in die Pensionskasse – die sogenannten Altersgutschriften – werden mit der Reform geglättet: Bis im Alter von 44 Jahren beträgt die Altersgutschrift künftig 9 Prozent (bisher 7 beziehungsweise 10 Prozent) auf dem BVG-pflichtigen Lohn. Ab 45 Jahren sind es 14 Prozent (bisher 15 beziehungsweise 18 Prozent). Damit werden die Altersgutschriften gerade bei den älteren Arbeitskräften gesenkt. Das soll ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Die Beiträge sollen wie heute ab 25 Jahren gezahlt werden.

Tiefere Eintrittsschwelle

Um in einer Pensionskasse versichert zu sein, muss man heute bei einem Arbeitgeber mindestens 22'050 Franken jährlich verdienen. Nach einem langen Hin und Her hat sich das Parlament darauf geeinigt, dass die Eintrittsschwelle auf 19'845 Franken sinken soll. Damit würden 70'000 Personen neu in einer Pensionskasse versichert, 30'000 Personen stärker als bisher. Insgesamt betrifft die Senkung 100'000 Arbeitnehmende.

Es war ein hochfliegendes Reformprojekt des damaligen SP-Sozialministers Alain Berset (52): die Altersvorsorge 2020, mit der er AHV und Berufliche Vorsorge (BVG) gleichzeitig reformieren wollte. Doch in der Abstimmung 2017 folgte der Absturz. Mit 52,7 Prozent Nein schickte das Stimmvolk die Rentenreform bachab.

Daraufhin packten Bundesrat und Parlament die beiden Säulen getrennt an. Einen knappen Abstimmungserfolg verbuchte Berset zusammen mit der bürgerlichen Parlamentsmehrheit letztens bei der AHV-Reform, mit der eine Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 erfolgte.

Nun ist die Pensionskassen-Reform an der Reihe, die eine bürgerliche Mehrheit im Parlament gegen den Widerstand der Linken durchgebracht hat. Linke und Gewerkschaften haben erfolgreich das Referendum ergriffen, sodass das Stimmvolk nun am 22. September 2024 über die Reform entscheiden wird.

Das sind die wichtigsten Eckwerte:

Tieferer Umwandlungssatz

Der Mindestumwandlungssatz im BVG-Obligatorium soll von heute 6,8 Prozent auf 6,0 Prozent sinken. Das bedeutet: Auf 100'000 Franken angespartes Alterskapital gibt es nur noch 6000 statt 6800 Franken Rente pro Jahr. Das führt zu einer Rentenlücke von rund 12 Prozent.

Rentenzuschlag für Übergangsgeneration

Es ist das eigentliche Herzstück der Vorlage. Die drohende Rentenlücke soll über einen Rentenzuschlag ausgeglichen werden. Allerdings nur für eine Übergangsgeneration von 15 Jahrgängen. Zudem wird er nach Alter und Einkommen abgestuft. Für die ersten fünf Jahrgänge gibt es maximal 200 Franken monatlich, dann sinkt er ab. Wer weniger als 220'500 Franken in der Pensionskasse hat – etwa ein Viertel der Versicherten – bekommt den vollen Zuschlag. Ein weiteres Viertel mit bis 441'000 Franken Altersguthaben erhält einen Teilzuschlag. Wer mehr Geld im Rentenkässeli hat, geht leer aus. Gut die Hälfte der Versicherten bekommt also nichts. Finanziert wird der Rentenzuschlag über Lohnabzüge – allerdings begrenzt bis 176'400 Franken.

Flexibler Koordinationsabzug

Vom sogenannten Koordinationsabzug hängt ab, wie hoch der versicherte Lohn ausfällt. Einkommen minus Koordinationsabzug ergibt die versicherte Lohnsumme. Galt bisher ein fixer Abzug von 25'725 Franken, soll dieser neu 20 Prozent des Einkommens betragen. Das BVG-Obligatorium gilt bis 88'200 Franken Einkommen. Der Abzug würde in diesem Fall also 17'640 Franken ausmachen. Unter dem Strich bleibt somit ein versicherter Lohn von 70'560 Franken. Auf Letzterem müssten also die Lohnbeiträge bezahlt werden.

Angepasste Altersgutschriften

Die Lohnbeiträge in die Pensionskasse – die sogenannten Altersgutschriften – werden mit der Reform geglättet: Bis im Alter von 44 Jahren beträgt die Altersgutschrift künftig 9 Prozent (bisher 7 beziehungsweise 10 Prozent) auf dem BVG-pflichtigen Lohn. Ab 45 Jahren sind es 14 Prozent (bisher 15 beziehungsweise 18 Prozent). Damit werden die Altersgutschriften gerade bei den älteren Arbeitskräften gesenkt. Das soll ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt verbessern. Die Beiträge sollen wie heute ab 25 Jahren gezahlt werden.

Tiefere Eintrittsschwelle

Um in einer Pensionskasse versichert zu sein, muss man heute bei einem Arbeitgeber mindestens 22'050 Franken jährlich verdienen. Nach einem langen Hin und Her hat sich das Parlament darauf geeinigt, dass die Eintrittsschwelle auf 19'845 Franken sinken soll. Damit würden 70'000 Personen neu in einer Pensionskasse versichert, 30'000 Personen stärker als bisher. Insgesamt betrifft die Senkung 100'000 Arbeitnehmende.

Auch die oberste Lehrerin Dagmar Rösler (52) hat das Manifest unterzeichnet. Als Präsidentin des Dachverbands Lehrerinnen und Lehrer Schweiz vertritt sie eine Berufsgruppe, die zu einem grossen Teil aus teilzeitarbeitenden Frauen besteht. «Ich lehne die aktuelle BVG-Reform ab, da sie auch Lehrerinnen in einem Teilpensum keine Lösungen liefert», moniert Rösler. «Die Reform würde für viele Frauen zu tieferen Renten führen und das, obwohl sie künftig höhere Beiträge bezahlen müssten.»

Fehlender Teuerungsausgleich

Unterstützung erhält das Frauenmanifest etwa auch von Ex-Miss-Schweiz und Schauspielerin Melanie Winiger (45), der soeben ins EU-Parlament gewählten Autorin Sibylle Berg (62), Musikerin Big Zis (47), Historikerin Elisabeth Joris (78), Geschlechter-Forscherin Sarah Schilliger, Schauspielerin Rachel Braunschweig, Kabarettistin Rebekka Lindauer oder Pflege-Berufsverband-Chefin Yvonne Ribi (47).

Unterzeichnet haben das Manifest auch zahlreiche Politikerinnen wie die frühere SP-Bundesratskandidatin Christiane Brunner (77), SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (36) und SP-Frauen-Chefin Tamara Funiciello (34).

In ihrem Manifest kritisieren die Frauen auch, dass mit der Reform erneut kein Teuerungsausgleich eingeführt werde, womit die Pensionskassen-Renten stetig an Wert verlieren würden. Zudem würden Frauen mit niedrigen Einkommen auch nach dieser Reform auf Ergänzungsleistungen angewiesen sein. «Wegen der hohen BVG-Beiträge hätten die Frauen aber während des Erwerbslebens weniger Geld zur Verfügung – ihre Situation vor der Rente würde sich verschlechtern», heisst es dazu.

GLP-Bertschy kämpft für Ja

Ganz anders sieht das Alliance F. Die Frauen gehörten unter dem Strich zu den Gewinnerinnen, da Teilzeitarbeit besser versichert werde, ist der Frauendachverband überzeugt. «Die Senkung des Koordinationsabzugs und der Eintrittsschwelle entfalten hier eine positive Wirkung», sagt Co-Präsidentin und GLP-Nationalrätin Kathrin Bertschy (44, BE). «Das reduziert endlich auch den Gender-Pension-Gap.»

Im Herbst kommt es also zum nächsten sozialpolitischen Showdown. Die Frauen werden dabei eine wichtige Rolle spielen. Kurz bevor das höhere Frauenrentenalter 65 ab 2025 schrittweise umgesetzt wird, steht für sie erneut eine umstrittene Rentenentscheidung an.

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