Erst die 13. AHV-Rente, jetzt die Prämieninitiativen: Abstimmungstechnisch ist das Politjahr 2024 fulminant gestartet. Nun wirft schon die nächste sozialpolitische Abstimmung ihren Schatten voraus. Wahrscheinlich im September kommt die Reform der zweiten Säule an die Urne – und schon jetzt liegen die Nerven bei Befürwortern und Gegnern blank.
Das zeigt ein offener Brief der Gewerkschaft Unia an die Spitze des Pensionskassenverbands Asip. Darin wirft Aldo Ferrari, bis vor wenigen Jahren Vizepräsident der Unia und noch immer Stiftungsrat mehrerer Pensionskassen, dem Asip mangelnden Anstand und Respekt vor. «Wir verteidigen die berufliche Vorsorge als paritätische Sozialversicherung und stellen fest, dass Sie von diesem Weg abgekommen sind», so Ferrari in dem Brief, der Blick vorliegt. «Schade!»
«Gewerkschaften hätten das nie getan»
Hintergrund der harschen Worte ist, dass sich der Asip hinter die BVG-Reform stellt und für ein Ja weibelt. Direktor Lukas Müller-Brunner etwa hatte sich kürzlich in der «NZZ» für eine Annahme der Reform ausgesprochen.
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Das Argument der Unia: Die Pensionskassenvermögen würden paritätisch verwaltet. Das heisst, neben den Arbeitgebern sitzen auch Arbeitnehmervertreter in den Stiftungsräten. Indem der Asip für ein Ja weible, übersteure er die Arbeitnehmervertreter in den Stiftungsräten. So etwas hätten die Gewerkschaften nie getan: «Die Arbeitnehmenden, die in den Stiftungsräten sitzen, wie auch die Gewerkschaftsorganisationen, die ihre Vertreterinnen und Vertreter dorthin delegieren, hätten sich niemals erlaubt, Sie um Unterstützung für das Referendum zu bitten.»
Durch die Unterstützung der Reform zeige der Asip, «wie wenig er von der Sozialpartnerschaft halte», so Ferrari weiter. «Die Konsequenzen Ihrer Unterstützung für diese Reform müssen ja nicht Sie tragen, da Sie als Direktoren von Kassen und Verbänden keine persönliche Verantwortung in Stiftungsräten tragen.»
Asip: Position breit abgestützt
Das Klima ist offenkundig vergiftet zwischen Pensionskassen und Gewerkschaftern. Wahrscheinlich ist der offene Brief eine Reaktion auf Aussagen von Müller-Brunner im «NZZ»-Interview. Dieser hatte den Gewerkschaften vorgeworfen, aus abstimmungstaktischen Gründen (13. AHV-Rente) die zweite Säule schlechtgeredet zu haben, um die AHV besser aussehen zu lassen.
Auf Blick-Anfrage wehrt sich Müller-Brunner gegen die Vorwürfe der Unia: Die Haltung des Asip sei bei seinen Mitgliedern breit abgestützt. Der Verband habe eine Umfrage unter allem angeschlossenen Pensionskassen durchgeführt. Ergebnis: Teile der Reform würden auf grosse Unterstützung stossen, andere auf Ablehnung. «Dennoch», so Müller-Brunner, «hat eine Mehrheit der Pensionskassen beschlossen, die Reform zu unterstützen. Denn diese stärkt das System der beruflichen Vorsorge – und das ist unseren Mitgliedern wichtig.»
Die aufgeheizte Stimmung schon so früh vor der Abstimmung zeigt: Es dürfte ein gehässiger Abstimmungskampf werden.