Nun ist klar: Am 9. Juni kommen die beiden Krankenkassen-Initiativen, die Stopp-Impfpflicht-Initiative sowie das neue Stromgesetz vors Volk. Die Abstimmung über die Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) wird einmal mehr auf die lange Bank geschoben. Und das, obwohl das Referendum dagegen bereits vergangenen Sommer mit über 140'000 Unterschriften eingereicht worden war. Damit kommt die Vorlage erst im September oder November vors Volk.
Es scheint fast so, als fürchte der Bundesrat den Urnengang. Nicht ohne Grund, wie eine neue Umfrage des Forschungsinstituts Sotomo im Auftrag des Gewerkschaftsbunds zeigt. Die Skepsis der Stimmbevölkerung gegenüber der Pensionskassen-Reform ist gross.
Nein-Seite startet mit Vorsprung
In einer ersten Runde wollte das Umfrage-Institut wissen, wie das Stimmvolk zur Vorlage steht. Das Resultat: 49 Prozent lehnen die BVG-Reform sicher oder eher ab, 37 Prozent hingegen stimmen ihr zu. Der Rest ist unentschlossen.
In einem zweiten Schritt wurden den Umfrageteilnehmenden Pro- und Kontra-Argumente vorgelegt, die für oder gegen die Vorlage sprechen. Danach wurden sie erneut zu ihrer Haltung befragt. Dabei akzentuierte sich das Bild: 56 Prozent wollen nun Nein stimmen, 33 Prozent dafür. Jeder Neunte bleibt unsicher.
Grösster Widerstand bei SP und SVP
Geht es nach Parteien, so ist der Widerstand bei den SP- und SVP-Anhängern am grössten: Jeweils zwei Drittel lehnen die Reform ab, gut ein Viertel sagt Ja. Bei den Grünen sagt die Hälfte Nein, ein Drittel stimmt zu. In der Mitte-Partei und der FDP halten sich die beiden Lager in etwa die Waage. Klare Zustimmung findet die BVG-Reform derzeit nur bei den Grünliberalen mit 54 Prozent Ja zu 40 Prozent Nein.
Für die Sotomo-Autoren ist damit klar, dass diese Abstimmung keinem klassischen Links-Rechts-Schema folgt. «Die Vorlage stösst sowohl in der städtischen SP- als auch bei der ländlichen SVP-Wählerschaft auf Ablehnung», heisst es dazu. Das widerspiegelt auch die Skepsis bis weit ins bürgerliche Lager: In Bauern-, Gastro- und Gewerbekreisen stösst die Reform aufgrund der Zusatzkosten teils auf massive Kritik.
Rentner sagen eher Ja
Was besonders auffällt, ist die unterschiedliche Beurteilung je nach Altersgruppe: Bei den 50- bis 65-Jährigen – also jenen, die kurz vor der Pensionierung stehen – ist der Widerstand am stärksten. Satte 65 Prozent lehnen die BVG-Reform ab, nur 26 Prozent sind dafür. Den grössten Support hingegen findet die Vorlage mit 45 Prozent Ja bei den über 65-Jährigen, die von der Gesetzesrevision nicht mehr betroffen sind. Gleich viele lehnen sie ab.
Spannend ist auch das Segment der 40- bis 49-Jährigen, also jenen Personen, die gerade keine Kompensationsmassnahmen erhalten. Zwar sagen 52 Prozent Nein, aber immerhin doch 37 Prozent Ja. «Für sie ist die Pension wohl noch zu weit weg, als dass sie durch ihr Alter eine besondere Betroffenheit spüren würden», schreiben die Sotomo-Autoren dazu.
SP-Maillard: «Seit 15 Jahren sinken die Renten»
Für Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard (55) kommt die ablehnende Haltung in der Bevölkerung nicht überraschend. «Seit 15 Jahren sinken die Renten der Pensionskasse – die BVG-Vorlage bringt eine weitere Senkung. Das ist komplett falsch!», sagt der Waadtländer SP-Ständerat.
«Den Pensionskassen geht es gut, aber sie behaupten, für einen einfachen Teuerungsausgleich kein Geld zu haben.» Kein Wunder also, schlägt er gleich den Bogen zur AHV-Abstimmung vom 3. März: «Einzig eine 13. AHV-Rente gleicht bei den Renten die höheren Preise aus.» Maillard weiss, ein erfolgreiches Abschneiden bei der anstehenden AHV-Abstimmung sorgt für viel Rückenwind für die nächste Rentenschlacht im Herbst.
GLP-Mettler glaubt an Aufholjagd
Auch wenn die BVG-Reform derzeit auf Widerstand stösst, geben sich die Befürwortenden noch lange nicht geschlagen. «Mit dem Referendum standen die Gegenargumente im Fokus der Öffentlichkeit, daher überrascht der derzeitige Vorsprung des Nein-Lagers nicht», sagt GLP-Nationalrätin Melanie Mettler (46, BE).
Im Abstimmungskampf müssten die Pro-Argumente stärker unters Volk gebracht werden. «Wir haben einen Kompromiss erreicht, der die Solidarität unter den Generationen verstärkt und insbesondere für Frauen und Teilzeitarbeitende eine deutliche Verbesserung ihrer Altersvorsorge bringt.»
Bei der eigenen Basis sei diese Botschaft schon angekommen, freut sich Mettler über die bereits mehrheitliche Zustimmung in der GLP. Sie gibt sich kampfeslustig: «Noch ist nichts entschieden, im Abstimmungskampf setzen wir zur Aufholjagd an.»
Die repräsentative Sotomo-Umfrage wurde zwischen dem 5. und 17. Oktober 2023 online erhoben. Dabei wurden die Angaben von 1431 Befragten ausgewertet und gemäss statistischen Verfahren gewichtet.