Seit letztem Jahr hat die Schweiz ein neues TV-Highlight. Tausende verfolgen die Pressekonferenzen des Bundesrats und des Bundesamtes für Gesundheit (BAG) im Livestream oder im Fernsehen. Einer davon ist Jonas Schmid (21).
«Während der Pandemie ist die Politik noch stärker als je zuvor in meinen Fokus gerückt. So viele waren von den Auswirkungen hart betroffen», sagt der Student aus St. Gallen zu Blick. Schmid, der sich schon länger politisch interessiert, fand durch Corona auch die Zeit, sich näher damit auseinanderzusetzen. Und trat der Jungen Mitte bei. «Für mich hat sich in der Krise nochmals gezeigt, dass eine kompromissbereite, ausgewogene Politik zielführend ist», sagt er. Schmids Bruder stiess kurz nach ihm ebenfalls zur Jungpartei.
Auch für Jérômie Repond (22) war Corona einer der Auslöser, der jungen SVP beizutreten. «Unabhängig davon, ob man die Massnahmen gut findet oder nicht, so haben wir alle das Recht, mitzureden. Ich finde, man kann nicht nur reklamieren und selbst nichts tun», sagt die Psychologiestudentin. In ihrem Umfeld politisieren sich derzeit gleich mehrere Freunde.
Deutlich mehr Zuwachs
Sie sind nicht die einzigen jungen Erwachsenen, die in der Krise zur Politik gefunden haben. Von Links bis Rechts verzeichneten die Jungparteien überdurchschnittlich viele Neueintritte. «Am höchsten war die Zahl der Neueintritte zur Zeit des Shutdowns», sagt David Trachsel (26), Präsident der Jungen SVP. Seit mehreren Wochen liege die Zahl der Neueintritte, die direkt bei der Jungen SVP Schweiz eintreffen, im Durchschnitt bei einem pro Tag. «Hinzu kommen die Anmeldungen bei den Kantonalsektionen.» Trachsels Jungpartei verzeichnet je nach Kanton bis zu 30 Prozent mehr Neumitglieder, im Schnitt sind es 15 Prozent mehr.
Die Gründe für das Wachstum sind klar. «Wir erleben die Politik so nah, wie dies sonst selten der Fall ist. Die Entscheide hatten konkrete Auswirkungen innerhalb der nächsten Tage im eigenen Leben», sagt Sarah Bünter (27), Präsidentin der Jungen Mitte Schweiz. Mit 23 Prozent Zuwachs hat die Junge Mitte prozentual den grössten Zuwachs erlebt. Dies entspricht 712 neuen Jungpolitikern.
Jüngere Mitglieder
Bei den Grünliberalen als auch der Jungen EVP blieben die Anzahl Neueintritte gleich hoch wie vor der Pandemie. «Wir haben uns zu Beginn eher zurückgehalten, um die Krise nicht zur Parteiprofilierung zu missbrauchen. Seit Anfang Jahr bringen wir uns wieder stärker ein. Nun spüren wir den wieder mehr Neueintritte», sagt Dominic Täubert (22), Präsident der Jungen EVP.
Auch die Juso verzeichnete in der zweiten Corona-Welle besonders viele Neueintritte – gar die meisten seit Erfassung der Zahlen. Es sind zehn Prozent mehr Eintritte als Austritte und gut 700 neue Mitglieder.
Der Jungfreisinn erfreut sich an 400 neuen Mitgliedern, was 12 Prozent Zuwachs entspricht. Es gibt nicht nur mehr Neueintritte. Sondern auch jüngere. «Gefühlt werden die Mitglieder tatsächlich jünger. Inzwischen kommt die Hälfte der Neueintritte von jungen Erwachsenen mit Jahrgängen nach 2000», sagt Matthias Müller (28), Präsident der Jungfreisinnigen Schweiz. Auch bei der jungen SVP und der jungen Mitte würden die Mitglieder tendenziell jünger.
Luca Vogler (28) hingegen ist verhältnismässig spät bei einer Jungpartei eingestiegen. Der frisch gebackene Vater ist seit vergangenem März Teil des Jungfreisinns: «Zuerst trat ich der FDP bei und lernte dort den Präsidenten des Jungfreisinns im Kanton Baselland kennen.» Weil er die künftigen FDPler bereits kennen möchte, trat er zusätzlich noch der Jungpartei bei. «Mir hat das letzte Jahr gezeigt, wie wichtig meine Freiheit ist. Und ich wollte gegen dieses Gefühl der Ohnmacht ankommen», sagt er.
Wie lang hält es an?
Die Jungparteien profitierten also in der Corona-Krise von neuen Mitgliedern. Doch verpufft dieser Effekt bereits? Mittlerweile verzeichnen die Jungparteien zwar weniger Neueintritte, aber immer noch mehr als vor der Pandemie. Ausserdem gibt es keine überdurchschnittliche Anzahl Austritte aus der Partei.
Jonas Schmid will die anderen Mitglieder der Jungen Mitte nun besser kennenlernen. Jérômie Repond ist inzwischen gar im Vorstand der jungen SVP Basel-Stadt und wird für die Neukonzipierung der Website zuständig sein. «Besonders gefällt mir der Austausch innerhalb unserer Vorstands-WhatsApp-Gruppe», sagt Repond. Und Luca Vogler engagiert sich bereits im Vorstand des Jungfreisinns Baselland als auch dem Schulrat in Itingen (BL). An Aufhören denken also alle drei noch nicht.