Das halten die Jungparteien von der Öffnungsstrategie
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Mehr oder weniger Lockerungen?Das halten die Jungparteien von der Öffnungsstrategie

Jungparteien-Knatsch nach Gipfel-Treffen mit Berset
«Die Jusos reagieren wie Hypochonder!»

Was wünscht sich die Jugend vom Bundesrat? Diese Frage treibt einen Keil zwischen die Jungparteien. Während die einen finden, dass Bersets Lockerungen zu weit gehen, wünschen sich andere die sofortige Normalität zurück.
Publiziert: 23.04.2021 um 21:30 Uhr
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Aktualisiert: 23.04.2021 um 21:33 Uhr
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Nun ist der Festival-Sommer 2021 endgültig Geschichte. Das Openair Frauenfeld wird als letztes grosses ebenfalls um ein Jahr verschoben.
Foto: keystone-sda.ch
Noa Dibbasey

185'000 Menschen feiern normalerweise im Juli etwas ausserhalb von Frauenfeld TG am grössten Hip-Hop-Festival Europa. Am Donnerstagabend gaben die Veranstalter des Open Airs als eine der letzten bekannt, dass die Freiluft-Fete auch dieses Jahr verschoben werden muss – zum zweiten Mal in Folge. Auch weil internationale Stars wegen Corona nicht touren wollen. Die enttäuschte Schweizer Jugend fragt sich: Ist der Sommer noch zu retten?

Am Donnerstag lud Gesundheitsminister Alain Berset (49) Vertreter dieser Jugend, die Chefinnen und Chefs der Jungparteien, zu einem Gespräch ein – und antwortete so auf den offenen Brief von ihnen.

«Wir werden dem Virus zum Frass vorgeworfen!»

Die Forderungen der Jungen hätten aber nicht weiter auseinanderklaffen können. Während sich viele über die jüngsten Öffnungen des Bundesrats freuen, zeigt sich Juso-Präsidentin Ronja Jansen (26) gar nicht begeistert. «Die Jungen werden dem Virus gewissermassen zum Frass vorgeworfen», klagte sie im «Tages-Anzeiger» und sprach gar von einer «Durchseuchungsstrategie» des Bundes.

Dieser nehme hohe Fallzahlen in Kauf, bevor alle die Möglichkeit haben, sich impfen zu lassen – dazu gehört vor allem die jüngere Bevölkerung. «Den noch nicht Geimpften gegenüber ist das höchst unsolidarisch», wettert Jansen auch gegenüber Blick. Die Lockerungen von letzter Woche gehen ihr zu weit – obwohl man sie am Freitag selbst auf einer Berner Restaurantterrassen sehen konnte.

«Ich stelle mich nicht kategorisch gegen die Öffnungen», sagt sie. Dass man gewisse Aussenbereiche wieder zugänglich gemacht habe, sei verständlich. Dennoch bleibe der Öffnungsprozess eine Gratwanderung, bei der der Bundesrat zu weit gegangen sei. Die neuesten Lockerungen gäben das Signal «Jetzt können wir es locker nehmen».

«Das ist nicht fair»

So sehen das auch die Jungen Grünen und die Junge EVP. Zwar möchten sich die beiden Jungparteien nicht ganz so weit aus dem Fenster lehnen – die meisten der Lockerungen helfen schliesslich der Bevölkerung beim konsequenten Durchhalten.

Aus seiner Sicht sei es wichtig, dass man es mit den Lockerungen nicht überstürzt, sagt JEVP-Präsident Dominic Täubert (22). «Wenn wir kurz vor Schluss noch eine Krankheit reingedrückt bekommen, weil wir uns als letzte impfen können, ist das nicht fair», findet er. Und Julia Küng (20), Co-Präsidentin der Jungen Grünen, ergänzt: «Wir hätten uns mehr Solidarität mit den Jungen gewünscht – schliesslich haben wir das letzte Jahr auch viele Opfer gebracht.»

Besonders enttäuscht hat sie an der Aussprache mit Berset, dass der Bundesrat sich nicht stärker um die psychische Gesundheit der Jungen kümmern möchte. «Dabei ist das einer der grössten Brennpunkte», kritisiert sie.

«Ein Ansteckungsrisiko besteht schon jetzt»

Für Tobias Vögeli (25) von den Jungen Grünliberalen schiessen die Forderungen seiner Kollegen an der Realität vorbei. «Mit einem griffigen Schutzkonzept schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: Wir schützen uns und können unsere Freiheit geniessen», sagt er.

Ein Stück mehr Normalität sei genau, was die Schweizer Jugend jetzt brauche, fügt Sarah Bünter hinzu, Präsidentin der Jungen Mitte. «Das Risiko, sich anzustecken, hingegen besteht bereits jetzt», erklärt sie. Zudem müssten Junge nur wenig länger auf ihre Impfung warten – und während dieser Zeit reiche ein negatives Testergebnis für gleiche Freiheiten.

Bünter sieht die Aufgabe des Bundes eher darin, eine stark steigende Jugendarbeitslosigkeit frühzeitig zu verhindern. «Der Bund muss die langfristigen Folgen von dem Virus auf den Arbeitsmarkt unbedingt im Auge behalten», fordert sie.

«Die Jusos reagieren wie Hypochonder!»

Die Jungfreisinnigen äussern für einmal wenig Kritik am Gesundheitsminister. Dass man bereits jetzt so grosszügig geöffnet hat, kommt Präsident Matthias Müller (28) gelegen. Die psychischen Folgen träfen die Schweizer Jugend nach bisherigen Erkenntnissen viel härter als eine Corona-Infektion. «Die Jusos reagieren wie Hypochonder!», sagt er mit Blick auf Juso-Chefin Jansen. Ihnen ist das psychische Wohlbefinden völlig egal.

Statt die Jungen im Keller einzusperren, wie diese fordere, solle man besser mit den Impfungen vorwärtsmachen. Dass junge Schweizerinnen und Schweizer hier nicht priorisiert werden, obwohl sie die mobilste Bevölkerungsgruppe sind und die Corona-Regeln seit über einem Jahr in anerkennenswerte Weise befolgten würden, ist für ihn ein Skandal.

Für JSVP ist das Virus belanglos

Der Jungen SVP wiederum gehen die Öffnungen nicht weit genug. «Die Jungen wollen Normalität, Freiheit und soziale Kontakte und haben genug von der Lockdown-Schikane», so Präsident David Trachsel (26). Die Forderungen der linken Jungparteien findet er «bescheuert».

Auch der Diskussion um Long Covid kann er nichts abgewinnen: «Das Virus ist für Junge belanglos!» Deswegen forderte Trachsels Partei am Treffen mit Berset, dass die «staatlichen Zwangsmassnahmen» sofort aufgehoben werden.


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