Auf einen Blick
- Mietrechtsvorlagen abgelehnt: Zäsur im Stimmverhalten der Schweizer Mieter
- HEV-Kampagne trotz hoher Ausgaben erfolglos, Mieterinteressen setzen sich durch
- 3,3 Millionen Franken für Abstimmungskampf, 75 Prozent vom HEV selbst finanziert
«Bescheidene Auswirkungen» hätten die beiden Mietrechtsvorlagen. So wiederholten es Vertreterinnen und Vertreter des Hauseigentümerverbandes (HEV) gebetsmühlenartig über Monate.
Sowieso: Die Verschärfungen bei der Untermiete und der vereinfachten Eigenbedarfskündigung würden nicht nur Vermietern zugutekommen, sondern auch den Mieterinnen. «Rechtssicherheit», nannten Befürworter das. Und positionierten sich im Abstimmungskampf als lockere Pragmatiker.
Schweres Geschütz ohne Ertrag
Hinten durch bot der HEV zusammen mit nahestehenden Verbänden jedoch schweres Geschütz auf: 3,3 Millionen Franken steckten sie in den Abstimmungskampf – beinahe so viel wie die Schweizer Wirtschaftsverbände gegen die 13. AHV-Rente aufgewendet hatten. Dreiviertel des Budgets stammte vom HEV selbst. Eine beachtliche Summe für zwei «kleine, technische Änderungen».
Die Niederlage ist nicht nur aufgrund der aufgewendeten Mittel schmerzhaft. Sie bedeutet eine grundsätzliche Zäsur im Stimmverhalten der Schweizer Mieterinnen und Mieter. Dieser Gruppe, die zwar in der Bevölkerung mehr als die Hälfte ausmacht, im Parlament aber deutlich unterrepräsentiert ist. Sie stimmte in der Vergangenheit bei nationalen Vorlagen zumeist nicht nach eigenen Interessen, sondern nach deren der Eigentümer.
Kaum Unterstützung aus der Regierung
Dieses Mal war es aber anders. Und das, obwohl der HEV in den letzten Jahren viel Geld in die Hand nahm, um nationale Parlamentarierinnen und Parlamentarier zu stützen, die sich für ihre Interessen einsetzen. Im Parlament war das zwar erfolgreich. Gegen die Erzählung des Mieterinnen- und Mieterverbandes um SP-Nationalrätin Jacqueline Badran (63) nützte dies aber nur wenig: «Einfacher rauswerfen, um Mieten zu erhöhen?», fragten sie. Und unterstrichen, dass die Mietrecht-Vorlagen Teil eines grossen Plans seien.
Das funktionierte unter anderem deshalb, weil im Parlament bereit die nächsten Verschärfungen vorbereitet werden, die den Eigentümer eine einfachere Mietzins-Festsetzung erlauben sollen. Und dass sich selbst der Bundesrat in der Ratsdebatte gegen ein Filetieren der Mietrechtsrevision aussprach und besonders die beiden Vorlagen zur Untermiete und dem Eigenbedarf als unverhältnismässig betrachtete. Dadurch lobbyierte Wirtschaftsminister Guy Parmelin (65) vor dem Volk auch eher lustlos für eine Annahme.
Wer besitzt die Deutungshoheit?
Zudem hatten die Gegner um Unternehmerin Badran für einmal auch das KMU-Argument auf ihrer Seite: Das Kleingewerbe wehrte sich bei der Untermiete – zumindest teilweise – laut gegen die Befristung von zwei Jahren.
Doch trotz der vielen Angriffsmöglichkeiten resultierte nur ein haarscharfer Sieg für die Mieterinnen und Mieter – vor allem dank der Städte und der Westschweiz. So ringen die beiden Seiten um die Deutungshoheit. «Ich habe ein deutlicheres Nein erwartet», sagte Mitte-Präsident Gerhard Pfister (62) bei Blick. Die Bevölkerung habe die Vorlagen also keineswegs für so extrem befunden, wie die Linken.
SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (38) hielt entgegen: «Dass es bereits solche Vorlagen schwierig haben, zeigt, dass das Volk keine weitere Schwächung des Mieterschutzes will.» Zumindest in einem zeigen sich Befürworter und Gegner einverstanden: Ein solch knappes Resultat zeige, dass man das komplexe Thema der Stimmbevölkerung zu wenig gut erklären konnte.