Für Linke und Gewerkschaften ist es schon fast ein Kampf auf verlorenem Posten: Nur gerade 12 Prozent stellen sich in der jüngsten SRG-Trendumfrage gegen die OECD-Mindestbesteuerung. 84 Prozent hingegen wollen die Vorlage annehmen und 4 Prozent sind unentschlossen.
Den Kampf für ein Nein aufgeben will die Linke aber nicht. Sie stört sich nicht an der 15-Prozent-Mindeststeuer für grosse Konzerne, sondern daran, wie das Geld verteilt wird. Von den 1 bis 2,5 Milliarden Franken an Mehreinnahmen fliesst bloss ein Viertel an den Bund, drei Viertel gehen an die Kantone.
Die Krux dabei: Zusätzliches Geld erhalten jene Kantone, in denen viele Grosskonzerne domiziliert sind – insbesondere Zug und Basel-Stadt. Ein Grossteil der Kantone geht nahezu leer aus.
«Gerechtere Verteilung möglich»
Hier setzt auch die Kritik von Gewerkschaftsbund-Chefökonom Daniel Lampart (54) an: «Die Einnahmen aus der Mindeststeuer fliessen vor allem an die finanzstarken Kantone – und dort sind Steuersenkungen für die Gutsituierten geplant», moniert er. Von den zusätzlichen Steuereinnahmen würden daher Reiche und Gutverdiener in einzelnen Kantonen profitieren statt der breiten Bevölkerung.
«Das ist ungerecht», sagt Lampart. «Dabei wäre eine gerechtere Verteilung möglich.» Er verweist dabei auf den Verteilschlüssel, der beispielsweise bei der direkten Bundessteuer zum Zug kommt. Da gehen 78,8 Prozent an den Bund, den Kantonen bleibt etwas mehr als ein Fünftel.
Alternativszenario berechnet
Lampart hat ein Alternativszenario berechnet, wie das Geld fairer verteilt werden könnte. In einer ersten Rechnung hat er angeschaut, wie viel Geld zum Beispiel eine Familie mit Kindern erhalten würde, wenn die Kantone ihren Anteil mit der vom Parlament verabschiedeten Drei-Viertel-Regelung erhalten würden. Der Bundesanteil von einem Viertel würde dabei entfallen, da diese Gelder für die Standortförderung vorgesehen sind.
Demgegenüber stellt Lampart die Variante, wonach die Kantone jeweils nur rund ein Fünftel der zusätzlichen Steuereinnahmen «ihrer» Grosskonzerne behalten und an die Kantonsbevölkerung verteilen würden. Gleichzeitig würden die verbleibenden fast 80 Prozent, die der Bund bekommt, gleichmässig an die schweizerische Gesamtbevölkerung verteilt.
«200 bis 400 Franken mehr»
Das Resultat: «Paare mit Kindern hätten in den meisten Kantonen 200 bis 400 Franken mehr Geld», so der SGB-Chefökonom. Am meisten wären es mit 840 Franken pro Jahr im Kanton Genf. In der Waadt und in Baselland wären es immerhin noch 600 Franken. In Zürich wären es noch 280 Franken oder in Uri 200 Franken.
Ein Nullsummenspiel wäre es in Neuenburg und Nidwalden. Im Vergleich schlechter wegkommen die Leute im Aargau sowie in Basel-Stadt und Zug. Gerade in den beiden letzteren Kantonen, wo viele Grosskonzerne angesiedelt sind, hätte die Bevölkerung das Nachsehen. In Lamparts Modell würden beispielsweise die Zuger Familie rund 5000 Franken weniger erhalten, jene in Basel 4000 Franken.
«Profitieren würden Familien»
Für Lampart ist aber klar: «Profitieren würden vor allem Familien in ressourcenschwächeren Kantonen, wo viele heute schon stark aufs Geld schauen müssen.» Das Geld könne sozialpolitisch sogar noch gerechter verteilt werden, wenn es beispielsweise für die Verbilligung der Krankenkassenprämien eingesetzt würde. «Dann wäre die Bilanz für Familien mit unteren und mittleren Einkommen noch günstiger.»
Der SGB-Mann ist überzeugt: «Für Ehepaare lohnt es sich, für einmal Nein zu sagen.» Bei einem Nein müsse die Vorlage rasch neu aufgegleist werden muss. Denn: «Die Reform ist eigentlich eine gute Sache», so Lampart. «Der Verteilschlüssel muss aber korrigiert werden, die neue Steuer muss gerade jetzt für die Verbesserung der Kaufkraft eingesetzt werden.» Am 18. Juni entscheidet das Stimmvolk.