Abstimmung über die OECD-Reform
Darum sollen Konzerne bald 15 Prozent Steuern zahlen

Der Schweiz winken Milliarden an Steuereinnahmen – im besten Fall. Dennoch ist die Einführung der OECD-Mindestbesteuerung umstritten. Blick erklärt die Abstimmung vom 18. Juni.
Publiziert: 01.06.2023 um 12:22 Uhr
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Aktualisiert: 01.06.2023 um 14:07 Uhr
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Konzerne wie Roche sollen ab kommenden Jahr mindestens 15 Prozent Gewinnsteuern zahlen.
Foto: keystone-sda.ch
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Sermîn FakiPolitikchefin

Am 18. Juni stimmt die Schweiz nicht nur über das Klimagesetz und die Verlängerung des Covid-19-Gesetzes ab, sondern auch über den «Bundesbeschluss über eine besondere Besteuerung grosser Unternehmensgruppen». Das ist die wohl komplizierteste der drei Vorlagen. Blick sagt, was du dazu wissen musst.

Worum geht es?

Schluss mit Steuerdumping! Das wollen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) und die G20. Sie haben ein Regelwerk ausgearbeitet, das sicherstellen soll, dass grosse internationale Konzerne auf ihre Gewinne mindestens 15 Prozent Steuern zahlen müssen. Die Schweiz hat sich, wie rund 140 andere Staaten, bereit erklärt, dabei mitzumachen. Da der Steuersatz in den meisten Kantonen heute tiefer liegt, muss dieser erhöht werden.

Warum stimmen wir darüber ab?

Die 15 Prozent Gewinnsteuer sollen nur besonders grosse Unternehmen bezahlen. Für alle anderen würde sich nichts ändern. Um diese Ungleichbehandlung zu ermöglichen, muss die Verfassung geändert werden. Und dazu müssen das Volk und Stände Ja sagen.

Weil die Einführung der Mindestbesteuerung auf Anfang 2024 geplant ist, wird es zudem (noch) kein Gesetz geben, sondern erst mal eine Verordnung. Das Gesetz soll später ausgearbeitet werden. Experten gehen davon aus, dass dieses erst in zehn Jahren in Kraft treten wird.

Welche Unternehmen sind betroffen?

15 Prozent Gewinnsteuern sollen jene Konzerne zahlen, die

  1. international tätig sind und
  2. mindestens 750 Millionen Euro Umsatz pro Jahr machen.

In der Schweiz zählen von den 600'000 Firmen nur einige wenige Hundert inländische sowie wenige Tausend ausländische Unternehmensgruppen dazu. Das heisst, für 99 Prozent der Unternehmen in der Schweiz ändert sich nichts. Aber: Die betroffenen Unternehmen sind wichtige Arbeitgeber. Gemäss Bundesrat arbeitet jede vierte beschäftigte Person in der Schweiz bei einem solchen Unternehmen.

Welche Kantone müssen nachbessern?

Wahrscheinlich alle. Zwar liegt der Gewinnsteuersatz in acht Kantonen (AG, BE, BL, JU, SO, TI, VS, ZH) über 15 Prozent. Doch besondere Abzüge, etwa für Forschung und Entwicklung, können dafür sorgen, dass auch hier Unternehmen weniger als die 15 Prozent zahlen. Das muss ausgeglichen werden.

Das soll so funktionieren: Wenn ein Konzern oder eine seiner Tochtergesellschaften in einem Kanton mit weniger als 15 Prozent besteuert wird, muss er oder sie künftig eine Ergänzungssteuer zahlen, mit der die Differenz zu den 15 Prozent ausgeglichen wird.

Werden die Kantone also viel mehr Steuern einnehmen?

Schätzungen gehen davon aus, dass schweizweit zumindest am Anfang pro Jahr 1 bis 2,5 Milliarden Franken mehr eingenommen werden. Für den Bund sind die finanziellen Auswirkungen der Reform sehr unsicher – es kommt nämlich darauf an, wie sich andere Staaten und vor allem auch die Konzerne verhalten. Denn wenn die im internationalen Vergleich tiefen Steuern wegfallen, wird die Schweiz weniger attraktiv. Verlagern diese bestimmte Gewinne in andere Staaten, könnte es auch weniger Steuereinnahmen geben.

Was passiert mit den Mehreinnahmen?

Fürs Erste sollen die Erträge zu 75 Prozent den Kantonen und zu 25 Prozent dem Bund zukommen. Im Gesetz, das in den kommenden Jahren ausgearbeitet werden soll, kann das dann geändert werden. Und es wird sicher versucht: Denn die Verteilung der Einnahmen ist umstritten.

Mitte-links hatte mehr Gelder für den Bund gefordert, SP und Grüne haben das Geschäft sogar abgelehnt, weil sie sich damit nicht durchsetzen konnten. Ihre Befürchtung: Die reichen Kantone mit vielen solchen Konzernen und Gesellschaften werden mehr Steuern einnehmen und damit die anderen Kantone noch stärker abhängen als heute schon. Sie wollen stattdessen, dass von den Zusatzeinnahmen die Bevölkerung in der ganzen Schweiz profitiert.

Die betroffenen Kantone hingegen sagen, dass sie durch die Anhebung der Steuersätze an Attraktivität verlieren und die Einnahmen darum brauchen, um das auszugleichen. Ausserdem erhielten die weniger betroffenen Kantonen über den Finanzausgleich einen Anteil der Einnahmen.

Muss die Schweiz die Mindestbesteuerung einführen?

Rein rechtlich ist sie nicht dazu gezwungen. Aber: Führt die Schweiz die Mindestbesteuerung nicht ein, können andere Staaten die Differenz zwischen der tieferen Steuerbelastung in der Schweiz und dem Mindeststeuersatz von 15 Prozent einziehen. Die betroffenen Unternehmen müssten die Steuern also woanders zahlen. Und das wäre aus Schweizer Sicht nicht gerade schlau.

Wer ist dafür?

Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments (SVP, FDP, Mitte, GLP) sagen Ja zur Mindestbesteuerung. Auch Kantone, Städte und Gemeinden sowie die meisten Verbände sagen Ja.

Wer ist dagegen?

Grüne und SP lehnten die Vorlage ab – weil sie die Verteilung der Zusatzeinnahmen falsch finden. Die SP meint, ein Nein sei keine Gefahr – denn dann würden sich Bundesrat und Bürgerliche bis im Herbst eine neue Vorlage mit einer fairen Verteilung der Einnahmen vorlegen. Ganz unumstritten ist diese Position aber nicht: So hat etwa die SP Basel-Stadt Stimmfreigabe beschlossen.

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