Zwischen Bund und Kantonen dürfte es in den kommenden Wochen zum finanzpolitischen Infight kommen. Grund: die von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) geplante Angleichung der Gewinnsteuersätze für Konzerne. Mindestens 15 Prozent sollen international tätige Unternehmen zahlen, wenn sie mehr als 750 Millionen Euro Umsatz im Jahr machen.
Auch die Schweiz ist davon betroffen. In Kraft treten soll das neue Regime 2024 – die ersten Steuereinnahmen dürften gar erst 2026 fliessen. Ab dann schätzt Finanzminister Ueli Maurer (71) Mehreinnahmen von 1 bis 2,5 Milliarden Franken pro Jahr.
Wer soll das Geld bekommen?
Schätzen ist für einmal das richtige Wort: Denn ob es wirklich so viel ist, weiss heute niemand – weil die Grundlage, auf der die Steuer erhoben wird, noch gar nicht bekannt ist. Und doch ist schon ein erbitterter Streit entbrannt, wer das Geld bekommen soll.
Der Bundesrat wollte, dass die zusätzlichen Einnahmen bei den Kantonen bleiben, die die Steuern auch erheben. Doch dagegen gibt es breiten Widerstand: Alle Parteien ausser SVP und FDP fordern, dass auch der Bund am Steuerbatzen beteiligt wird. Das Fell wird verteilt, obwohl der Bär, den man erlegen will, noch nicht einmal in Sicht ist.
Ihr Argument: Kantone mit hohen Einnahmen aus der OECD-Steuer – wie Zug, Basel, Waadt – könnten ihre Attraktivität mit dem Geld derart stärken, dass grosse Unterschiede zu anderen Kantonen entstehen würden. Heinz Tännler (61), Finanzdirektor des Kantons Zugs – der der grösste Nutzniesser der Reform sein dürfte, weil dort viele betroffene Konzerne angesiedelt sind – könnte mit den Mehreinnahmen etwa die Einkommenssteuer weiter senken, fürchtet beispielsweise die SP.
Grüne: Alles soll beim Bund landen
Die Sozialdemokraten fordern daher, dass die Mehreinnahmen allen Schweizerinnen und Schweizern zugutekommen: So sollen die Prämienverbilligungen erhöht werden, Infrastrukturprojekte in den Bereichen Klima oder familienergänzende Kinderbetreuung finanziert und mehr Geld für die Entwicklungshilfe gesprochen werden.
Wie viel Prozent der Mehreinnahmen der Bund für diese Ausgaben erhalten soll, will die SP nicht sagen. Andere werden da schon konkreter: Der Bund sollte einen Anteil von 25 bis 50 Prozent erhalten, findet die Mitte von Parteipräsident Gerhard Pfister (59), der selbst aus dem Kanton Zug kommt. Und die Grünliberalen fordern eine 50:50-Aufteilung, wobei der Teil, der den Kantonen zugutekommt, im Verhältnis zur Wohnbevölkerung auf die 26 Kantone verteilt werden soll.
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Und die Grünen fordern gar, dass der Bund alle Mehreinnahmen bekommen soll – schliesslich seien für die grossen ökologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen gewaltige Mittel nötig. Daher sollen die zusätzlichen Steuermilliarden in einen Fonds fliessen.
Kantone sind bereit, 25 Prozent abzugeben
Den Kantonen geht das alles zu weit. Sie sind höchstens bereit, 25 Prozent an den Bund abzutreten. Und zudem melden auch die Städte und Gemeinde ihren Anspruch an. Sie wollen, dass ein Anteil für sie in der Verfassung festgeschrieben wird. Dort, wo die Steuerreform vorerst rechtlich verankert wird.
Weil die Zeit bis 2024 zu kurz ist für ein normales Gesetzgebungsverfahren in der Schweiz, greift der Bundesrat zu einem Kniff: Zuerst wird nur die Verfassung geändert. Das muss man, da durch die Reform kleinere und grosse Unternehmen unterschiedlich besteuert werden, was der aktuellen Verfassung widerspricht. Erst später soll das Parlament das Gesetz anpassen.
Anteile sollen in die Verfassung
Experten gehen davon aus, dass es mindestens zehn Jahre dauern wird, bis das Gesetz steht. Die Übergangszeit wird also sehr lang.
Die Kantone wollen deshalb auf Nummer sicher gehen und den Anteil von Bund, Kantonen und Gemeinden in der Verfassung fixieren. Sie fürchten: Würde man das nicht tun, könnte das Parlament bei der Ausarbeitung des Gesetzes zu gierig werden – und sich nicht nur das Geld für Prämienverbilligungen und Klimarettung, sondern auch für eine Aufrüstung der Armee aus dem neuen Topf holen.