Nach dem Ja zum neuen Stromgesetz plant SVP-Energieminister Albert Rösti (56) den nächsten Coup: Er will das AKW-Verbot aus dem Gesetz streichen. Mit einem Gegenvorschlag zur Stopp-Blackout-Initiative will er den unter der damaligen Mitte-Energieministerin Doris Leuthard (61) eingeleiteten Atomausstieg verhindern.
Röstis Plan bringt die AKW-Gegner auf die Barrikaden. Die Schweizerische Energiestiftung lancierte flugs eine Online-Petition, mit der sie vom SVP-Bundesrat einen sofortigen Stopp seiner «Sabotage der Energiewende» fordert. «Mit dem Stromgesetz schaffen wir den Ausstieg aus fossilen Energieträgern und aus der gefährlichen, veralteten Atomkraft», schreibt SES-Geschäftsleiter Nils Epprecht dazu. Um die Energiewende zu schaffen, müsse man sich nun auf den Aubau der Erneuerbaren konzentrieren und dürfe sich nicht «auf Nebenschauplätze» verirren. Innert eines Tages haben bereits über 5000 Personen den Appell unterschrieben.
AKW-Freunde wittern Morgenluft
Die AKW-Gegner geben damit bereits Gegensteuer. Auch im Parlament dürfte die von Rösti anvisierte Aufhebung des AKW-Verbots für hitzige Diskussionen sorgen. Bisher scheiterten entsprechende Vorstösse aus den Reihen von SVP und FDP relativ deutlich. Trotzdem wittern die Nuklear-Freunde Morgenluft. Ein vorsichtig formulierter Gegenvorschlag könnte für Bewegung sorgen, hoffen sie.
An vorderster Front kämpft SVP-Nationalrat Christian Imark (42, SO) gegen das AKW-Neubauverbot. «Wir wollen eine generelle Aufhebung des Technologieverbots.» Er glaubt nicht, dass der Erneuerbaren-Ausbau für eine eigenständige Stromversorgung reicht. Zudem habe sich die Ausgangslage seit dem Ja zur Energiestrategie 2050 geändert. «Damals ging man noch davon aus, dass der fehlende Strom einfach importiert werden kann», sagt Imark.
Die Energiemangel-Debatte der letzten Jahre zeige deutlich, dass es gefährlich sei, nur auf Importe zu setzen. Der Mitinitiant der Stopp-Blackout-Initiative glaubt, dass ein Gegenvorschlag im Parlament dank Stimmen aus SVP, FDP und Teilen der Mitte eine Mehrheit schaffen dürfte.
Abweichler entscheidend
SP, Grüne und GLP dürften geschlossen gegen eine Aufhebung des AKW-Verbots stimmen – zusammen bringen sie im Nationalrat 74 Stimmen auf die Waage. Mit der Mitte wären es 105 der total 200 Stimmen. Es braucht also nur wenige Mitte-Abweichler, damit der Rösti-Gegenvorschlag im Nationalrat eine Chance hat. Ebenso im Ständerat, wo mit Peter Hegglin (63, ZG) ein Mitte-Mann im Initiativkomitee sitzt. Auch der Tessiner Fabio Regazzi (61) bezieht bereits Position: «Technologieverbote müssen abgeschafft werden», so der Ständerat.
Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner (52, AI) rechnet Röstis Gegenvorschlag Chancen aus. «Es wird sicher auch bei uns einige geben, welche Forschung und Entwicklung ermöglichen wollen – oder auch neue Kernkraftwerke», sagt er. Einige dürften einem Gegenvorschlag daher zustimmen oder sich enthalten. Er selbst lässt sich diese beiden Optionen noch offen, nur so viel: «Ich werde einen Gegenvorschlag sicher nicht ablehnen.»
Mitte initiierte Atomausstieg
Nicht infrage kommt eine Aufhebung des AKW-Neubauverbots hingegen für Mitte-Energiepolitiker Stefan Müller-Altermatt (47, SO): «Alles andere wäre eine Desavouierung unseres bisherigen Kurses und eine unnötige Debatte, weil sich neue AKW weder ökologisch noch ökonomisch rechnen.» Er ist überzeugt, dass eine Mehrheit der Mitte-Fraktion gleich stimmen wird wie er.
Der Luzerner Nationalrat Leo Müller (65) glaubt ebenfalls nicht, dass die Mitte die entscheidenden Stimmen für Rösti liefern wird. «Wir sind in dieser Frage relativ geschlossen», sagt er. «Der Vorstoss für die Energiestrategie und den damit verbundenen Atomausstieg kam von uns, wir können nicht alle paar Jahre die Strategie ändern.» Man müsse den Fokus nun voll auf den Ausbau der Erneuerbaren richten. «Alles andere sind unnötige Scheinmanöver.»
Abweichler gibts auch in FDP
Gleicher Meinung ist auch FDP-Nationalrat Matthias Jauslin (62, AG). Er gehört in der FDP zu einer Minderheit, welche derzeit keine neuen Kernkraftwerke will. «Wir müssen unsere Energie nun für den Ausbau der Erneuerbaren einsetzen und nicht für eine Utopie, die nicht marktreif ist», sagt er. Kommt der Gegenvorschlag ins Parlament, dürfte es also auch bei den Freisinnigen «etwa eine Handvoll» Abweichler geben, schätzt Jauslin. «Das dürfte jene aufseiten der Mitte in etwa aufwägen.»
Für Rösti bleibt die Hürde damit hoch. Ob er sie schafft, dürfte von der konkreten Formulierung seines Gegenvorschlags abhängen. Für Spannung ist weiter gesorgt.