Frau Trede, am Montag sagten Sie im Parlament, die Stromlücke sei keine. Wie meinen Sie das?
Aline Trede: So, wie es auch der Energiemanager des Bundes sagt: Die Wahrscheinlichkeit einer Stromlücke ist kleiner als die einer Gaslücke.
Also gibt es gar keinen Handlungsbedarf?
Doch, die Frage ist allerdings, in welchen Bereichen. Tatsächlich ist die Stromlücke nämlich eine Effizienzlücke. Wenn es wirklich eng wird, schaffen wir es nur mit Sparen. Darum verstehe ich nicht, warum wir jetzt nicht voll auf Effizienz setzen, eine Kampagne für die Bevölkerung fahren und beispielsweise Stromspar-Auktionen mit Grossverbrauchern durchführen.
Aber es gibt doch eine Sparkampagne des Bundes?
Das stimmt, aber wir müssen noch viel stärker darauf hinweisen, wo wir überall Strom sparen können – und zwar ohne grosse Einschränkungen. Ein Beispiel sind die 3,5 Millionen Kaffeemaschinen im Land, die ununterbrochen laufen.
Niemand weiss, ob wir wirklich sparen. Weil es nicht gemessen wird …
Das ist peinlich. In anderen Ländern ist das längst etabliert.
Bringt es wirklich etwas, schon jetzt mit aller Wucht zu sparen?
Wenn wir heute schon Strom sparen, können wir unsere Wasserspeicher füllen. Davon profitieren wir im Winter enorm. Deshalb haben wir Grünen uns in dieser Session verschiedentlich für Effizienzmassnahmen eingesetzt – leider ohne Erfolg.
Nun boxt die Landesregierung per Verordnung ein Notkraftwerk in Birr durch. Was halten Sie davon?
Gar nichts, zumal es ja auf ein Öl-Kraftwerk hinausläuft. Aber wir können nichts dagegen tun. Wir brauchen dieses Kraftwerk wohl gar nicht, es passt allerdings zum Alarmismus des Bundesrats.
Kommentar zum Thema
Im Parlament sorgte die Solar-Offensive für Aufsehen: Alpine Grossanlagen sollen jetzt rasch gebaut werden. Ist das der richtige Weg?
Die Richtung stimmt. Wir kämpfen seit Jahren für den Ausbau der Erneuerbaren. Nur trägt diese Offensive nichts dazu bei, kurzfristig eine Energieknappheit zu verhindern. Die Beschlüsse, die das Parlament in dieser Session fällte, helfen nicht für diesen Winter, aber längerfristig schon.
Auch nicht die Erhöhung der Grimsel-Staumauer, die dank eines Coups von SVP-Nationalrat Albert Rösti in die Solaroffensive integriert wurde?
Das ist doch kein Coup! Da fahren jetzt nicht einfach die Bagger auf, nur weil das Gerüst schon steht. Das ist Augenwischerei. Dieses Projekt hat keine Konzession, das Planungsverfahren wird nicht beeinflusst. Und bis es abgeschlossen ist, vergehen Jahre. Es bringt uns für diesen Winter also gar nichts. Daran ändert auch nichts, dass das Parlament das Projekt für dringlich erklärt. Vielleicht versteckte sich dahinter auch einfach die Angst vor einem Referendum der SVP.
Ist die Solaroffensive am Ende nur heisse Luft?
Sie enthält wichtige Elemente, die uns weiterbringen. Aber Umweltrechtler kritisieren nicht ohne Grund, dass das Parlament hier nicht sorgfältig gearbeitet hat. Die Begrifflichkeiten sind zum Teil sehr schwammig. Die Verbände sind nun praktisch gezwungen, Beschwerden einzureichen, damit Gerichte für Klarheit sorgen. Die alpinen Grossanlagen sind also noch längst nicht durch. Es wird vor Ort noch viele Diskussionen geben.
Versorgungssicherheit ist allerdings das Hauptargument für die Offensive. Dafür ist man auch bereit, den Umweltschutz einzuschränken. Zu Recht?
Für uns ist das ein Dilemma. Hätte die Schweiz gemacht, was die Grünen schon vor 20 Jahren forderten, wären wir heute in einer viel besseren Situation. Und würden wir voll auf Effizienz setzen, könnten wir diese Konfliktzone immer noch vermeiden. Immerhin bleibt die Umweltverträglichkeitsprüfung bei alpinen Solaranlagen bestehen. Sonst hätten wir nicht zugestimmt.
Dafür wurden massive Abstriche bei der Solarpflicht auf Hausdächern gemacht, für die sich die Grünen starkmachten.
Das ist leider so. Allerdings werden mit den Anlagen auf Infrastrukturen des Bundes nun auch Projekte realisiert, die früher undenkbar schienen.
Die Grünen werden also nicht gegen die Solaroffensive vorgehen?
Nein, wir ergreifen kein Referendum. Denn es geht ja insgesamt in die Richtung, die wir seit Jahren vorantreiben. Und das Umweltschutzgesetz bleibt in dieser Version eingehalten, weil das Beschwerderecht nicht einfach aufgehoben wird. So werden auch künftig extreme Eingriffe in die Natur gut geprüft.
War das jetzt eine Grünen-Session?
Unter dem Strich ja. Die Solaroffensive und der indirekte Gegenvorschlag zur Gletscherinitiative sind durchgekommen. Doch angesichts der bürgerlichen Mehrheit sind wir trotzdem immer wieder mit dem Rücken zur Wand gestanden. Die erste Woche haben wir damit verbracht, uns gegen den absurden Vorwurf zu verteidigen, das rot-grüne Lager sei schuld an der Energiekrise.
Und anschliessend mussten Sie bei diversen Vorlagen Rückschläge in Kauf nehmen, von der Entlastung von Haushalten in bescheidenen Verhältnissen bis zu der Solarpflicht für Eigenheime …
Das war und ist wohl einfach unsere Rolle. Diverse Projekte, die wir seit Jahren fordern, kommen nun problemlos durch. Nur fällt das halt weniger auf als Aktionen wie diejenige von Albert Rösti, die zu unserer aktuellen Versorgungssicherheit überhaupt nichts beiträgt. Unter dem Strich aber wurden so viele Anliegen durchgebracht, die unseren Zielen entsprechen, dass wir und das Klima trotzdem die Siegerinnen und Sieger dieser Session sind.
Bundesrat Ueli Maurer tritt Ende Jahr zurück. Greifen die Grünen nun an?
Ein Wandel im Bundesrat tut Not. Die Regierung ist in der aktuellen Zusammensetzung unfähig, die grössten Herausforderungen unserer Zeit anzugehen. Die SVP ist in dieser Session vor allem mit der Verhinderung des Klimaschutzes und unwürdigem Verhalten aufgefallen. Ob die Grünen den SVP-Bundesratssitz angreifen, entscheiden wir an der ausserordentlichen Sitzung vom 18. Oktober.