«Der Krisenstab hat bereits zentrale Massnahmen lanciert»
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Wirtschaftsredaktor Schlumpf:«Der Krisenstab hat bereits zentrale Massnahmen lanciert»

Versorgungssicherheit
Kantone fordern Krisenstab – den es schon gibt

Die Kantone fordern einen Energie-Krisenstab. Doch für Massnahmen wie den Strom-Rettungsschirm gibt es bereits eine Steuerungsgruppe des Bundes.
Publiziert: 24.09.2022 um 19:26 Uhr
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Aktualisiert: 24.09.2022 um 22:19 Uhr
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«Der Bund muss dringend einen departementsübergreifenden Krisenstab einsetzen», fordert der oberste Energiedirektor Roberto Schmidt.
Foto: keystone-sda.ch
Danny Schlumpf

Die Kantone verlangen mehr Mitwirkung in der Energiekrise. «Wir haben viele Fragen, auf die wir vom Bund keine Antwort erhalten», sagte unlängst der oberste Energiedirektor Roberto Schmidt (60). «Der Bund muss dringend einen departementsübergreifenden Krisenstab einsetzen.»

Bloss: Diesen Stab gibt es schon. Seit März befasst sich ein Ausschuss unter der Leitung von Energieministerin Simonetta Sommaruga (62) und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (62) mit der Versorgungssicherheit. An Bord sind Branchenvertreter, die Eidgenössische Elektrizitätskommission (Elcom) – und die Kantone. Das Gremium hat bereits sieben Mal getagt, die nächste Sitzung findet kommende Woche statt.

Dem Ausschuss ist eine strategische Steuerungsgruppe unterstellt. Sie macht die Knochenarbeit. Mit dabei sind Vertreter des Energiedepartements (Uvek), des Wirtschaftsdepartements (WBF), der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK) und der Elcom. Benoît Revaz (50), Direktor des Bundesamts für Energie (BFE), leitet das Gremium.

Kantone blieben lange passiv

SonntagsBlick hat, gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz, die Sitzungsprotokolle der Steuerungsgruppe von Ende März bis Mitte August erhalten. In dieser Zeit traf sich die Gruppe 14-mal. Im Organigramm ist auch ein Kantonsvertreter aufgeführt: Jan Flückiger (43), Generalsekretär der Energiedirektorenkonferenz (EnDK). Doch Flückiger war bis Mitte August an keiner Sitzung dabei.

Die Zusammensetzung der Steuerungsgruppe sei Sache des Bundes, sagt die EnDK dazu. «Nachdem wir bei dem Thema um einen besseren Informationsfluss und eine stärkere Anbindung gebeten hatten, wurde der Generalsekretär der EnDK ab August zu den Sitzungen eingeladen.»

Dass sich die Kantone nicht früher um eine Teilnahme bemühten, erstaunt. Denn die Steuerungsgruppe gleiste in den letzten Monaten zentrale politische Massnahmen wie den Strom-Rettungsschirm und die Sicherung der Gasreserven auf, fixierte operative Leitlinien, räumte wettbewerbsrechtliche Probleme aus dem Weg und entwickelte Finanzierungsoptionen.

Das Abseitsstehen der Kantone war schon an der ersten Sitzung Ende März ein Thema, als es um den Rettungsschirm für die Energiekonzerne ging. «So oder so sind die Kantone vorab in die Pflicht zu nehmen», hält das Protokoll fest. Das verwundert nicht, gehören diese Unternehmen doch den Kantonen.

Die aber liessen umgehend ausrichten, sie wollten lieber nicht mitwirken. «Als einfachste und schnellste Lösung für einen Rettungsschirm sehen die Kantone die Delegation an den Bund», notiert die Steuerungsgruppe bereits Anfang April.

Rettungsschirm seit dem Frühling vorbereitet

Das Gremium bemüht sich fortan ohne die Kantone um den Rettungsschirm, auch gegen den Widerstand der Stromkonzerne. Ein Sitzungsprotokoll von Ende März hält fest: «Die CEOs von Axpo, Alpiq und BKW schätzen die Lage so ein, dass es unwahrscheinlich ist, dass ein einzelnes Unternehmen illiquid wird. Ein Rettungsschirm sei höchstens nötig für den Fall, dass die europäischen Energiemärkte flächendeckend ausfallen und zahlreiche Unternehmen in Not geraten.»

Die Steuerungsgruppe lässt sich davon nicht beirren. «Notfalls muss das Geld für die Unternehmen innert 48 Stunden bereitstehen», hält sie Mitte April fest – und bezieht schon früh den Einsatz von Notrecht in ihre Planungen ein. Offenbar traut sie dem Parlament eine schnelle Entscheidungsfindung nicht zu. Nicht zu Unrecht, denn Anfang September muss der Bund schliesslich vier Milliarden Franken für die Axpo bereitstellen – per Notrecht, weil der Nationalrat den Rettungsschirm im Sommer nicht für dringlich gehalten hat.

Die Krisentruppe des Bundes müht sich nicht nur mit den Kantonen, den Energiekonzernen und dem Parlament ab, sondern auch mit der Gasbranche. Die Zeit für die Beschaffung von Gasreserven sei knapp, warnen die Beamten Anfang April. Kurz darauf vermerken sie sogar, der Bundesrat solle im Mai entscheiden, «dass die Mangellage gegeben ist und somit die entsprechenden Verordnungen ausgearbeitet werden können».

Bund nimmt Branche in die Pflicht

So weit geht die Regierung zwar nicht. Aber sie verpflichtet die fünf Schweizer Gas-Regionalgesellschaften zur Sicherstellung der Landesversorgung mit Erdgas. Angesichts der hohen Preise verspricht der Bund, notfalls finanzielle Hilfe zu leisten.

Das aber haben offenbar nicht alle Branchenvertreter verstanden. Am 6. Juli klagt André Dosé (65), Präsident des Gasverbundes Mittelland, der Staat sei schuld, wenn es zu einer Gasmangellage komme. Zur Frage, ob die Branche die finanzielle Rückendeckung des Bundes habe, sagt er: «Eben nicht.»

Gleichentags hält auch die Steuerungsgruppe ein Treffen ab und schreibt aus aktuellem Anlass wörtlich ins Protokoll: «Die Branche ist an den Auftrag des Bundesrates zu ermahnen.»

Die Probleme bei der Gasversorgung erzeugen auch Spannungen zwischen den Departementen. Mitte Juli schlägt Sommarugas Generalsekretär vor, den Regionalgesellschaften ein Ultimatum zu stellen. Doch seine Kollegin aus dem Wirtschaftsdepartement winkt ab: Dafür sei es zu früh. Ein Ultimatum bleibt aus. Im Sitzungsprotokoll steht: «Der Generalsekretär des Uvek teilt diese Einschätzung ausdrücklich nicht und lehnt jegliche Verantwortung ab.»

Die Gasbranche hat ihren Auftrag mittlerweile erfüllt. Und die Kantone? «Nur der Bund kann Massnahmen anordnen, nicht die Kantone», sagt EnDK-Präsident Schmidt. Das Uvek widerspricht: «Ein Kanton kann in seinem Gebiet auch ohne den Bund verbindliche Vorgaben erlassen.»

Die Stände warten offenbar lieber auf die Landesregierung – und rufen nach einem Krisenstab, der längst an der Arbeit ist.

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