Editorial von SonntagsBlick-Chefredaktor Gieri Cavelty zur Axpo-Rettung
Das Parlament versagt in der Energiekrise

Während der Pandemie beklagte sich das Parlament, es werde übergangen. In der aktuellen Energiekrise stünde es ihm offen, Verantwortung zu übernehmen. Doch nichts passiert. Beim Rettungsschirm für die Strombranche etwa hat der Nationalrat Arbeitsverweigerung betrieben.
Publiziert: 11.09.2022 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 21.11.2022 um 13:31 Uhr
Gieri Cavelty, Chefredaktor SonntagsBlick.
Foto: Thomas Meier
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Gieri CaveltyKolumnist SonntagsBlick

Der Vergleich mit der UBS-Rettung liegt auf der Hand. Damals wie heute hat sich ein systemrelevanter Grosskonzern verspekuliert, damals wie heute gewährt der Staat Milliardenhilfen. Auch die Bittsteller klingen zum Verwechseln ähnlich. Statt Selbstkritik verbreiten sie Eigenlob. «Das Problem war nicht, dass es schlecht um die UBS stand», sagte der damalige UBS-Verwaltungsratspräsident Peter Kurer im Oktober 2008. «Dem Unternehmen geht es gut», sagte Axpo-Chef Christoph Brand am Dienstag dieser Woche. Und: «Der Markt funktioniert.» Immerhin, es ist das Mindeste, bedankt sich Brand nun im SonntagsBlick-Interview mit meinen Kollegen Sven Zaugg und Danny Schlumpf bei Frau und Herrn Steuerzahler.

Da ist aber auch ein entscheidender Unterschied. Die UBS-Rettung war reine Improvisation, ein innert weniger Tage durchgepeitschter Deal zwischen Bankern und Beamten. Die Verhandlungen über den Rettungsschirm für die Stromwirtschaft dagegen fanden zwischen März und Juni statt. Am letzten Wochenende mussten eigentlich nur die aktuellen Zahlen in die Beschlüsse eingefügt werden.

Bereits Ende 2021, als mit Alpiq einem anderen grossen Stromkonzern die flüssigen Mittel auszugehen drohten, bereitete sich Energieministerin Simonetta Sommaruga auf den Ernstfall vor. Anders als 2008 sollte der Bund dieses Mal nicht einfach nur Milliarden in die Wirtschaft pumpen – er wollte dies juristisch korrekt und zu seinen Bedingungen tun. Solange Darlehen oder Zinszahlungen ausstehen, darf die Axpo keine Dividende ausschütten, ausserdem muss sie dem Bund Auskunft über ihre Energiehandelsgeschäfte geben. Aus diesem Grund wehrte sich die Branche lange gegen einen Rettungsschirm. Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen schrieb im Frühjahr: «Der VSE lehnt den Vorschlag in dieser Form ab.» Und die Axpo meinte: «Es darf davon ausgegangen werden, dass die Vorlage nicht verfassungskonform ist.» Den Firmen wäre es lieber gewesen, die Staatshilfe ohne Auflagen zu erhalten.

Der Bund war diesmal also vorbereitet, jedenfalls beinahe. Letztlich musste die Landesregierung leider auch der Axpo per Notrecht unter die Arme greifen. Weil es das Büro des Nationalrats – das sind die Präsidentin, die Vizepräsidenten plus die Fraktionschefs – im Frühjahr ausdrücklich abgelehnt hatte, die bundesrätlichen Vorschläge so rasch wie möglich in ein ordentliches Gesetz zu giessen. Bis im Winter habe man ja genügend Zeit, hiess es.

Überhaupt stiess Bundesrätin Sommaruga mit ihren Rettungsplänen auch in der Politik zunächst auf breiten Widerstand. Die SVP war und ist grundsätzlich dagegen (ungeachtet der Tatsache, dass mit dem Thurgauer Jakob Stark ein SVP-Ständerat im Axpo-Verwaltungsrat sitzt). Am anderen Ende des Parteienspektrums sagte Aline Trede, Fraktionschefin der Grünen, im Juni dem «Tages-Anzeiger»: «Ich war überrascht, als dieser Schutzschirm Thema wurde. Seit einem Jahr führen wir in der Schweiz eine Scheindebatte über eine Ministromlücke.»

Während der Pandemie beklagte sich das Parlament lauthals, es werde von der Regierung übergangen. In der aktuellen Energiekrise stünde es ihm offen, Verantwortung zu übernehmen. Bloss passiert das nicht. Jetzt melden sich Politiker von rechts bis links zu Wort, die den Axpo-Chefs ein Bonusverbot auferlegen wollen? Recht haben sie! Doch warum hat man von diesen Leuten nichts gehört, als das Büro des Nationalrats das Thema auf die lange Bank schob? In der Sommersession hätten sie ein solches Bonusverbot mühelos selber ins Gesetz schreiben können.

Das Versagen beim Rettungsschirm ist nur ein Beispiel dafür, wie unglücklich das Parlament in der Energiepolitik agiert. Ein weiteres ist die Vorlage zur Förderung von grünem Strom. Ein ganzes Jahr hat die zuständige Ständeratskommission daran herumgedoktert. Dabei hat sie so viele Bestimmungen hineingepackt, dass es, sollten ihr Stände- und Nationalrat folgen, garantiert zu einer Referendumsabstimmung mit Gegnern aus allen möglichen Lagern kommen wird. Am Ende könnte dem Vorhaben, den erneuerbaren Energien den nötigen Schub zu verleihen, an der Urne der Stecker gezogen werden.

Die Energieversorgung ist eines der drängendsten Themen der Gegenwart. Weitere Blackouts im Politbetrieb können wir uns da nicht leisten.

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