«Mit den heutigen Zahlen sollten erste Lockerungsschritte möglich sein»
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Gewerkschafts-Boss Maillard:«Eine Null-Risiko-Strategie ist unmöglich»

Gewerkschafts-Boss Maillard (52) fordert konkreten Corona-Plan
«Mit den heutigen Zahlen sollten erste Lockerungsschritte möglich sein»

Der Druck auf den Bundesrat steigt. Nach dem Gewerbe fordert nun auch Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard vom Bundesrat eine klare Strategie, wie es im März weitergehen soll.
Publiziert: 10.02.2021 um 02:02 Uhr
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Aktualisiert: 12.02.2021 um 23:33 Uhr
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Gewerkschaftsboss Pierre-Yves Maillard: «Der Bundesrat verliert an Rückhalt in der Bevölkerung, wenn er diese Existenzsicherung nicht garantieren kann.»
Foto: keystone-sda.ch
Interview: Ruedi Studer

«Die Lockdown-Strategie ist gescheitert», kritisiert Gewerbeverbands-Präsident und Mitte-Nationalrat Fabio Regazzi (58, TI) den Bundesrat. Der Verband fordert die Beendigung des Lockdowns auf den 1. März.

Nicht ohne Grund: Viele Gewerbler bangen um ihre Existenz – an der auch unzählige Arbeitsplätze hängen. Kein Wunder also, sind auch die Gewerkschaften alarmiert. Gewerkschaftsbund-Chef und SP-Nationalrat Pierre-Yves Maillard (52, VD) fordert im BLICK-Interview vom Bundesrat ebenfalls mehr Klartext und eine Perspektive für die Bevölkerung.

BLICK: Herr Maillard, bei den Gewerblern brodelt es. Wie sieht es bei den Angestellten aus?
Pierre-Yves Maillard: Ich spüre allgemein einen grossen Unmut in der Bevölkerung. Viele Menschen müssen mit weniger Lohn auskommen. Es gibt noch keine grosse Revolte, aber die Resignation und die Depression steigen, was vielleicht noch schlimmer ist. Der Bundesrat verliert an Rückhalt in der Bevölkerung, wenn er diese Existenzsicherung nicht garantieren kann.

Ist die Lockdown-Strategie also gescheitert?
So pauschal lässt sich das nicht sagen. Die Schweiz ist im Vergleich weniger weit gegangen als andere Länder. Die Schulen sind weiterhin geöffnet, und es gibt keine Ausgangssperren, und trotzdem haben wir aktuell die Auslastung in den Spitälern stabilisiert. Gescheitert sind wir aber mit der Entschädigungs- und der Pflegestrategie – da haben Bund und Kantone bis heute ungenügend reagiert.

Es braucht also noch mehr Geld für Härtefälle?
Wer Geschäfte schliesst, muss auch zahlen! Man muss auf zwei Beinen laufen können: Wenn die Wirtschaftsfreiheit eingeschränkt und quasi ein Arbeitsverbot verordnet wird, muss der Bundesrat im selben Tempo angemessene finanzielle Entschädigungen beschliessen. Die Hilfen müssen endlich rasch und unbürokratisch ausbezahlt werden. Aber nicht nur für Härtefälle, auch beim Erwerbsersatz und bei der Kurzarbeit braucht es grosszügigere Entschädigungen. Die Betroffenen können doch nicht während Monaten mit nur 80 Prozent ihres Lohns auskommen.

Sie fordern aber auch im Gesundheitswesen eine Offensive?
Die Hälfte der Corona-Todesfälle haben wir in Altersheimen und einen weiteren grossen Teil von Menschen aus Altersheimen, die im Spital gestorben sind. Die Altersheime sind damit die «Kriegsfront» gegen das Virus. Und trotzdem fehlt dort eine nationale Schutzstrategie. Teilweise musste Pflegepersonal eingesetzt werden, welches in Quarantäne hätte sein müssen. Man hat es schlichtweg verpasst, in genügend Pflegepersonal zu investieren. Das müssen wir dringend nachholen, da niemand weiss, ob nächsten Herbst wieder eine Welle droht.

Der Gewerbeverband will eine Exitstrategie mit Lockerungen ab März. Sie auch?
Der Bundesrat muss rasch eine Strategie präsentieren. Es braucht eine Perspektive. Entscheidend ist dabei eine klare Zielsetzung. Reicht es, wenn die Risikogruppen geimpft sind? Dann können wir schon früher lockern. Oder müssen doch 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung durchgeimpft sein? Dann bleibt die Logik des Shutdowns noch lange, was auch eine bessere demokratische Legitimation bräuchte. Hier muss der Bundesrat Klartext sprechen.

Dann sind ab März noch keine Lockerungen möglich?
Der Bundesrat will sehen, wie sich die Virusmutationen in den nächsten Tagen und Wochen entwickeln. Aber mit den heutigen Zahlen sollten erste Lockerungsschritte möglich sein. Nicht nur bei den Museen, sondern auch im Sportbereich braucht es Lockerungen – gerade für die Jungen. Zwar sind gewisse Risiken damit verbunden, eine Null-Risiko-Strategie ist aber unmöglich.

Dann sollen auch schon bald die Läden und Restaurants wieder öffnen?
Die Frage ist: Wie kann man die Bedingungen rasch schaffen, um diese Lockerungen zu ermöglichen? Wichtig ist, dass es gute Schutzkonzepte gibt. Entscheidend sind auch die Kontrollen, dass diese auch eingehalten werden. Die Verstärkung der Kontrollen scheitert am Unwillen der Arbeitgeberverbände und der Behörden. Dabei könnten wir mit mehr Kontrollen die Sicherheit am Arbeitsplatz erhöhen, was auch hilft, die Epidemie besser in den Griff zu bekommen. Dann können Lockerungen auch sicherer beschlossen werden.

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