Über die ganze Schweiz gesehen, zeigt die Corona-Epidemie «für Anfang Januar einen rückgängigen und für Mitte Januar einen stabilen bis leicht rückgängigen Verlauf», schreibt die wissenschaftliche Corona-Taskforce des Bundes in ihrem neusten Situationsbericht vom Dienstag. Die Reproduktionszahl schätzt sie per 22. Januar auf 0,98 – das heisst: 100 Infizierte stecken 98 Personen neu an. Die Übersterblichkeit nimmt ab, ist aber in der Ost- und Zentralschweiz, in Zürich und im Tessin immer noch sichtbar.
Weiter hält die Taskforce fest, dass der Anteil der mutierten Virus-Varianten aus Grossbritannien und Südafrika seit dem ersten Nachweis kontinuierlich ansteige. In der dritten Januarwoche betrafen geschätzt etwa 10 Prozent aller Neuinfektionen die Virus-Mutationen.
Virusmutationen schon bei 20 Prozent
In der Realität dürfte der Anteil schon wieder deutlich höher sein: «Wir gehen davon aus, dass mittlerweile 20 Prozent der Fallzahlen einer der beiden Mutationen zuzuordnen sind», erklärte Patrick Mathys, Leiter der Sektion Krisenbewältigung und internationale Zusammenarbeit im Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Dienstag an einer Medienkonferenz. Aktuell sind über 2700 Mutations-Fälle in der Schweiz nachgewiesen. Mathys geht davon aus, dass die Mutationen bald einmal dominieren würden.
Er warnte daher vor zu viel Optimismus. Die Fallzahlen würden zwar zurückgehen, aber nur schleppend. Und wenn sich die Mutationen stärker verbreiten, könne wieder eine Stagnation oder ein Anstieg resultieren. Die Ausbreitung der Virusmutationen sei real. «Das hat nichts mit Angstmacherei zu tun», betonte Mathys. Da reiche ein Blick nach Grossbritannien oder Portugal.
Auch BAG-Vizedirektorin Anne Lévy warnte vor einer «trügerischen» Entwicklung. Die Massnahmen würden zwar durchaus Wirkung zeigen, aber: «Wir haben gehofft, dass die Zahlen schneller heruntergehen.»
Für Lockerungen zu früh
Also noch keine Zeit für Lockerungen, wie dies Österreich ab 8. Februar vorsieht? «Im Moment gibt es keinen Grund, unmittelbar an Lockerungen zu denken», so Mathys. Und: «Die neuen Mutationen spielen uns sicher nicht in die Hand.»
Die Virusmutationen würden zeigen, dass schon wenige Fälle gefährlich sein könnten, erklärte Lévy. Von fixen Kriterien für Lockerungsschritte rät sie ab. «Ein Ampelsystem zu machen, halten wir für den falschen Weg.» Man müsse die Situation Tag für Tag analysieren und darauf basierend entscheiden. Klar ist: Die Fallzahlen seien immer noch zu hoch.
Läuft es gar auf eine Verlängerung des Lockdowns Ende Februar hinaus? Es bringe nichts, jetzt darüber zu spekulieren, so Lévy. Man müsse die Entwicklung beobachten. «Wir müssen jeden Tag nehmen, wie er kommt.»
Schulschliessungen nur im Notfall
Selbst zusätzliche Verschärfungen sind kein Tabu. Es würden derzeit zwar keine zusätzlichen Massnahmen vorbereitet, so Mathys. Wenn die Zahlen aber nicht mehr sinken würden, müssten die politischen Diskussionen sicher wieder aufgenommen werden. Es sei eine offene Frage, wann dieser Zeitpunkt komme.
Aber viele andere Massnahmen als jene an Schulen wie Maskenpflicht, Halbklassen oder dann Schulschliessung seien in der Schweiz im Kampf gegen das Coronavirus kaum mehr möglich – allenfalls noch eine Ausgangssperre, wie es sie in anderen Ländern gebe, sagte Mathys.
Er könne aber nicht sagen, wann eine Massnahme an Schulen konkret nötig werde. Am Schluss sei es ein politischer Entscheid. Gerade angesichts der Mutationen sei es schwierig, jetzt eine verlässliche Aussage dazu zu machen. «Es wäre einfach eine Massnahme, die noch ergriffen werden könnte, sollte sich herausstellen, dass es an Schulen zu Häufungen kommt», erklärte Mathys.