Österreich machts! Ab 8. Februar lockert unser Nachbarland nach sechs Wochen Lockdown die Corona-Massnahmen. Die Geschäfte dürfen wieder öffnen, allerdings unter verschärften Vorsichtsmassnahmen – so ist das Tragen von FFP2-Masken Pflicht und die Kundenzahlen sind eingeschränkt. Mit den Lockerungen in Österreich steigt der Druck auf den Bundesrat, bald eine Ausstiegsstrategie zu präsentieren – zumindest, wenn die Fallzahlen weiter sinken.
SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi (42) twitterte jedenfalls flugs: «Österreich macht es richtig: Aufhebung des Lockdowns (aber strenge Überwachung der Schutzkonzepte!) und Verschärfung der Grenzkontrollen. Doch in der Schweiz gefährdet das BAG mit der Verlängerung des Lockdowns Tausende von Existenzen!»
Zurückhaltung im Bundeshaus
Insgesamt herrscht im Bundeshaus aber noch Zurückhaltung vor. So ruft einzig die SVP lauthals nach einem sofortigen Ende des Lockdowns. Zwar drängt am ehesten noch die FDP auf baldige Lockerungen, aber nicht mehr so stark wie vor wenigen Wochen. Die übrigen Parteien stellen sich weitgehend hinter den bundesrätlichen Kurs mit einem Lockdown bis Ende Februar – und allenfalls darüber hinaus.
Das hat sich am Montag in der nationalrätlichen Wirtschaftskommission eindrücklich bestätigt. Ausgerechnet jene Kommission, die sich vor drei Wochen in einem Brief an den Bundesrat noch gegen Verschärfungen wie Laden-Lockdown oder Homeoffice-Pflicht ausgesprochen hat, übt sich nun in Zurückhaltung. Diesmal lehnte die Kommission sogar einen Kompromiss-Antrag von SVP-Nationalrat Thomas Burgherr (58, AG) mit 11 zu 8 Stimmen bei 5 Enthaltungen ab, der sich gegen eine Verlängerung des Lockdowns über den Februar hinaus wehrte. Nur die SVP-Vertreter und eine einzige FDP-Vertreterin stimmten dem Burgherr-Antrag zu. Ein weiterer Antrag für ein sofortiges Lockdown-Aus kam schon gar nicht mehr zu Abstimmung.
Ösi-Lockdown viel restriktiver
Nicht ohne Grund, denn Österreich und die Schweiz sind nur bedingt vergleichbar. Der Ösi-Lockdown geht nämlich viel weiter als jener der Schweiz. Im Grundsatz gilt eine Ausgangsbeschränkung rund um die Uhr. Wer kann, soll möglichst zu Hause bleiben. Die Schulen sind zu. Und nicht nur Restaurants und Geschäfte sind geschlossen, sondern auch Hotels. Körpernahe Dienstleistungen wie etwa der Coiffeurbesuch sind verboten. Wo geöffnet ist, gilt FFP2-Maskenpflich. Der Mindestabstand wurde von einem auf zwei Meter ausgeweitet.
Damit ist es den Österreichern gelungen, die Fallzahlen zu senken. Die 14-Tage-Inzidenz beträgt 246 Fälle auf 100'000 Einwohner – in den letzten Tagen waren es meist immer noch deutlich über 1000 neue Fälle pro Tag. In der Schweiz hingegen liegen die Vergleichswerte noch immer höher: Die 14-Tage-Inzidenz bei 286 – und die täglichen Fallzahlen um 2000 herum.
Die Österreicher können ab 8. Februar schlicht mehr öffnen, weil sie vorher mehr geschlossen haben. Doch es gelten strenge Schutzmassnahmen. Zum Coiffeur etwa darf man nur mit einem negativen Corona-Test. Auch die Schulen bleiben teils im Schichtbetrieb. Und nächtliche Ausgangsbeschränkungen bleiben bestehen. Gastro- oder Kulturbetriebe bleiben zudem weiterhin geschlossen.
Bundesrat muss bald entscheiden
Die Schweiz wird genau beobachten, wie sich die Lockerungen im Nachbarland auswirken. Der Bundesrat wird schon bald einmal entscheiden müssen, in welche Richtung es gehen soll. Allenfalls diskutiert er schon an seiner Bundesratssitzung vom Mittwoch über seine Ausstiegsstrategie. Von der Zielsetzung, die täglichen Neuansteckungen unter 300 zu bringen, ist man aber noch deutlich entfernt.
Damit bliebt vorerst offen, ob es auf eine Lockdown-Verlängerung oder erste Lockerungsmassnahmen ab März hinausläuft. Wenn, dann wird wie nach der ersten Welle im Frühjahr 2020 wieder schrittweise gelockert. Die Öffnung von Geschäften, Zoos oder Museen dürfte zuerst anstehen, Beizen dürften später an die Reihe kommen. Grossveranstaltungen werden ganz am Schluss zum Thema.
Grünen-Rytz gegen «parteipolitische» Öffnung
Vorerst ist Zuwarten angesagt. «Die Öffnungsschritte hängen von den epidemiologischen Risiken und den Schutzmassnahmen ab», sagt Grünen-Nationalrätin Regula Rytz (58, BE) zu BLICK. Ein Vergleich mit Österreich, welches in den letzten Wochen restriktivere Massnahmen umgesetzt habe, sei schwierig.
Für sie ist aber klar, dass die Öffnungsschritte nicht parteipolitisch festgelegt werden könnten, wie dies die SVP fordere. «Wir erwarten vom Bundesrat, dass er nach wie vor die epidemiologischen Risiken sowie die Spitalkapazitäten priorisiert und die betroffenen Unternehmen fair entschädigt.»
SP-Meyer: «SVP-Geschrei ist gefährlich»
«Das Geschrei der SVP ist unseriös und gefährlich», sagt SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer (33). Der Bundesrat dürfe nicht auf Druck von Parteien oder Verbänden reagieren und zu früh lockern. «Das kommt nicht gut heraus, wie uns die zweite Welle gelehrt hat.»
Entscheidend seien vielmehr klare Kriterien, wann und wie schrittweise geöffnet werden könne. Diese müssten Bund und Kantone zusammen mit der Wissenschaft definieren. «Die Pandemie lässt sich nicht beenden, indem man einfach ein Datum fixiert», so Meyer. «Der Massstab kann nur eine schrittweise Öffnung sein, die mit möglichst wenig Ansteckungen verbunden ist.»
FDP-Gössi fordert Ausstiegsszenario
«Die FDP ist für ein Ende des Lockdowns, wenn es die Zahl der Neuinfektionen zulässt», zeigt sich auch FDP-Chefin Petra Gössi (45) vorsichtig. «Wir können uns nicht an anderen Ländern orientieren, da die Situation überall etwas anders ist.»
Für die FDP ist jedoch klar, dass der Bundesrat so rasch wie möglich, «also morgen Mittwoch», aufzeigen müsse, wie er plant, ab spätestens Ende Februar weiterzufahren. «Ein solches klares Ausstiegsszenario muss anhand konkreter Indikatoren wie den Fallzahlen, Auslastung der Spitäler, etc. festgemacht werden, damit alle betroffenen Akteuren endlich mehr Planungssicherheit erhalten», macht Gössi klar. Die Gesundheit der Bevölkerung stehe im Vordergrund. «Die Wirtschaft kann nur florieren mit gesunden Mitarbeitenden.»