GDK-Generalsekretär Michael Jordi zur Intensivbetten-Lücke
«Spitäler müssen sich selber an der Nase nehmen»

853 Intensivbetten zählt der Bund aktuell. Doch davon sind nicht alle nutzbar, weil das Personal fehlt. Das erschwert die Lageeinschätzung. GDK-Generalsekretär Michael Jordi sieht nun die Spitäler in der Pflicht.
Publiziert: 06.09.2021 um 18:35 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2021 um 19:10 Uhr
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853 Intensivbetten sind aktuell gemeldet. Doch offenbar mangelt es an genügend Fachpersonal, um diese auch alle zu nutzen.
Foto: Keystone
Ruedi Studer

Bei den Intensivbetten klafft zwischen Statistik und Realität eine Lücke. 853 Betten registrierte der Koordinierte Sanitätsdienst (KSD) am Montag: 287 Betten waren mit Covid-Patienten belegt, 376 mit anderen Erkrankten, und 190 Betten waren frei. Damit waren die Intensivstationen zu 78 Prozent ausgelastet.

Bloss, die Realität ist offenbar eine andere. Zahlreiche Spitäler klagen über volle Intensivstationen und verlegen Patienten in andere Kantone. Das Problem sind nicht die Betten, sondern das fehlende Fachpersonal. Letzteres reicht nur für die konstante Betreuung von 750 bis 800 IPS-Betten, so die Einschätzung der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin. Die effektive Auslastung wäre damit deutlich höher, die Gefahr einer baldigen Triage für Intensivpatienten rückt näher. Um eine Überlastung abzuwenden, wird Gesundheitsminister Alain Berset (49) wohl schon diesen Mittwoch die Ausweitung der Covid-Zertifikatspflicht beantragen.

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Wieso klafft eine Lücke?

Doch wie können die Zahlen derart auseinanderklaffen? Grund ist wohl ein Informationsstau zwischen Bund, Kantonen und Spitälern. Der KSD erhebt die Spitalkapazitäten über ein IT-Tool – das Informations- und Einsatzsystem IES. Auf diese Daten stützt sich der Bund bei seiner Lagebeurteilung. Zudem sollen sie einen «regionalen bis nationalen Ausgleich der Auslastung der Spitäler erlauben», wie der KSD schreibt. Fehlerhafte Zahlen wirken sich also aus!

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Die Daten werden direkt von den Spitälern in das System eingegeben. Diese sieht Michael Jordi, Generalsekretär der kantonalen Gesundheitsdirektoren-Konferenz (GDK), in der Pflicht: «Die Lücke ist möglicherweise damit erklärbar, dass die Zahlen nicht regelmässig auf dem neusten Stand gehalten werden. Da müssen sich die Spitäler selber an der Nase nehmen und die Daten à jour halten.» Er sieht aber auch Bund und Kantone gefordert, die Spitäler stärker auf diese Aufgabe aufmerksam zu machen, damit Diskrepanzen vermieden werden können.

Personal unter Dauerbelastung

Was das fehlende Fachpersonal betrifft, macht er klar: «Wir können nicht einfach mit den Fingern schnippen und haben dann genügend Personal.» Die Ausbildung nehme gut zwei Jahre in Anspruch. Und: «Es ist eine Herausforderung, dafür genügend Interessierte zu finden.» Er widerspricht auch dem Vorwurf, dass die Kantone in den letzten eineinhalb Jahren zu wenig unternommen hätten. «Wir haben Weiterbildungen für bestehendes Pflegepersonal organisiert, damit dieses auf den Intensivstationen zur Unterstützung eingesetzt werden kann.»

Er erinnert zudem daran, dass das bestehende Personal nicht beliebig zu weiteren Sondereinsätzen aufgeboten werden könne. «Die Leute auf den Intensivstationen stehen seit eineinhalb Jahren unter Dauerbelastung. Zwischen den Corona-Wellen mussten verschobene Operationen nachgeholt werden – es hörte nie auf.» Man beobachte auch gewisse Abnutzungserscheinungen beim Intensivpersonal.

Gesundheitsdirektoren für Ausweitung

Jordi ärgert sich über die Forderung – etwa seitens der SVP –, einfach mehr Intensivbetten aufzubauen. «Es ist nicht nur schwierig, sondern auch zynisch.» Denn dies würde bedeuten, lieber mehr Covid-Patienten mit Schwersterkrankungen in Kauf zu nehmen, anstatt Massnahmen gegen weitere Erkrankungen zu ergreifen. Kommt hinzu, dass Covid-Patienten deutlich länger auf der Intensivstation behandelt werden müssten als andere Patienten.

Die Mehrheit der Gesundheitsdirektoren plädiert daher für eine rasche Ausweitung der Zertifikatspflicht. «Die Ausweitung wirkt sich nur mit Verzögerung bremsend auf die Infektionszahlen aus», so Jordi. «Wird die Massnahme erst ergriffen, wenn eine flächendeckende Überlastung der Spitäler vorliegt, dann kommt sie zu spät.»

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