Für eine rasche Waffenruhe
Schweiz stellt sich auf die Seite der Israel-Kritiker

Die Uno-Vollversammlung hat eine von arabischen Staaten eingebrachte Resolution für eine «humanitäre Waffenruhe» verabschiedet. Auch die Schweiz stimmte zu. Das sorgt für Irritation.
Publiziert: 29.10.2023 um 20:23 Uhr
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Die Uno-Vollversammlung hat eine von arabischen Staaten eingebrachte Resolution für eine «humanitäre Waffenruhe» verabschiedet.
Foto: IMAGO/ZUMA Wire

Israel spricht von einer «Schande», die Hamas freut sich. Am Freitagabend stimmte die Uno-Vollversammlung in New York einer Resolution zu, die eine sofortige «humanitäre Waffenruhe» verlangt. Nach Angriffen der Hamas soll Israel demnach keine Militäroperationen mehr durchführen. Ausgerechnet die neutrale Schweiz stellte sich dabei auf die Seite der Israel-Kritiker.

Eingebracht hatte den Antrag Jordanien zusammen mit mehreren arabischen Ländern sowie Staaten wie Nordkorea, Russland und Venezuela, berichtet die «Sonntagszeitung». Umstritten daran: In der Resolution fehle jeder Hinweis darauf, dass die neuste Eskalation durch den Hamas-Terror ausgelöst wurde. Zudem sieht Israel in der Forderung nach einem Waffenstillstand den Versuch, ihm das Recht auf Selbstverteidigung abzusprechen.

Viele westliche Staate stimmten nicht zu

Im Gegensatz zur Schweiz haben viele westliche Partnerstaaten ihre Zustimmung zur Resolution verweigert. Dagegen stimmten etwa die USA als engster Verbündeter Israels, aber auch Österreich oder Ungarn. Deutschland, Italien, Finnland, Schweden oder die Niederlande enthielten sich der Stimme.

Offiziell stellt sich die Schweiz in solchen Fällen konsequent auf die Seite des Völkerrechts. Hier aber ist die Situation nicht eindeutig: Die Uno-Charta sieht ausdrücklich das Recht auf Selbstverteidigung vor. Zwar heisst es auch, dass Zivilisten oder zivile Objekte nicht bewusst angegriffen werden dürfen – das gilt laut Völkerrechtlern aber nicht, wenn eine Partei Militärstellungen wie von der Hamas bewusst in Wohngebiete oder unter Spitälern platziert.

Mitte-Kritik an FDP-Bundesrat

In der Schweizer Politlandschaft löst der Entscheid Irritation aus. Kritisch zeigt sich etwa Mitte-Präsident Gerhard Pfister (61). Er stellt sich auf X (vormals Twitter) die Frage, wie FDP-Bundesrat Ignazio Cassis (62) den Entscheid seines Aussendepartements (EDA) begründet. Und Pfister kann sich einen Seitenhieb an die politische Konkurrenz nicht verkneifen. So wirft er die Frage auf, ob Cassis bis zu den Bundesratswahlen, bei welcher die Grünen seinen Sitz angreifen wollen, auf Tauchstation geht.

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Gegenüber der «Sonntagszeitung» verweise das EDA auf die offizielle Begründung, die die Schweizer Uno-Delegation in New York verlesen hat: «Mit dem Aufruf zu einer ‹sofortigen, dauerhaften und nachhaltigen humanitären Waffenruhe, die zu einer Einstellung der Kampfhandlungen führt›, reagiert die Resolution auf das dringendste Bedürfnis: den raschen, sicheren und ungehinderten Zugang humanitärer Hilfe an die bedürftigen Bevölkerungsgruppen zu ermöglichen.»

Im Bundesrat scheint Uneinigkeit zu herrschen

Die Schweiz habe zwar Ja gestimmt, verurteile aber «aufs Schärfste» die «schockierenden und nicht zu rechtfertigenden Terrorattacken» der Hamas gegen Israel, versichert das EDA. Wie das Departement weiter ausführe, habe die Schweizer Uno-Mission in Absprache mit Bundesrat Cassis gehandelt: «Der Departementschef war in die Entscheidfindung im Zusammenhang mit der fraglichen Resolution eingebunden.»

Im Bundesrat scheint in diesem Punkt allerdings keine Einigkeit zu herrschen. So hatte SVP-Umweltminister Albert Rösti (56) an einer Gedenkveranstaltung in der Synagoge in Bern betont, dass der Staat Israel aus seiner Sicht das Recht auf Selbstverteidigung habe, um sich und seine Bevölkerung so selber zu schützen.

Der israelische Uno-Botschafter Gilad Erdan (53) soll auf die Resolution empört reagiert haben. «Diese Organisation wurde unter dem Eindruck des Holocaust gegründet – es ging darum, Grausamkeiten zu verhindern», wird er zitiert. «Allerdings hat das gerade beobachtete Spektakel gezeigt, dass sich die Uno nicht mehr dem Verhindern, sondern dem Ermöglichen von Grausamkeiten verpflichtet sieht.» Der Entscheid sei eine «Schande».

Begrüsst wird der Entscheid in einer Mitteilung hingegen von der Hamas, die eine sofortige Umsetzung der Waffenruhe fordert. Der Entscheid der Uno-Vollversammlung ist allerdings nicht bindend. (dba)

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