Ist sie das nun, die von Israel seit Wochen angekündigte und von 2,3 Millionen Menschen in Gaza gefürchtete Bodenoffensive? Offiziell bestätigen wollen das die israelischen Streitkräfte nicht. Tatsache aber ist: Auch zwölf Stunden nach dem Einfall von Panzern und Elite-Einheiten im palästinensischen Küstenstreifen waren am Samstagmittag noch immer israelische Truppen in Gaza unterwegs.
Am Freitagmittag stand ich noch in Kfar Aza, einem von Hamas-Terroristen überfallenen Kibbuz, keine anderthalb Kilometer von Gaza entfernt. Die israelische Armee schoss zeitweise im Minutentakt mit Artilleriegeschossen ganz aus der Nähe gegen Hamas-Stellungen in Gaza. Kampfjets donnerten durch den bewölkten Himmel.
In der Nacht auf Samstag weckte mich das donnernde Geräusch der israelischen Militärflieger auch in meinem Hotelzimmer in Nazareth im Norden Israels. Von der nahen Airforce-Basis aus fliegt Israel immer wieder Angriffe auf Syrien und die Hisbollah-Stellungen im Süden Libanons.
Geschändete Frauen- und gefolterte Kinderleichen
Akustisch ist der Krieg in vollem Gang. Mindestens 1400 Israelis und wohl über 6000 Palästinenser verloren seit dem Hamas-Überfall am 7. Oktober ihr Leben – auf teils brutalste Art und Weise. In Kfar Aza erzählte mir der hochrangige israelische Offizier Golan Vach (49), er habe eigenhändig geschändete Frauen- und gefolterte Kinderleichen aus den Trümmern des Kibbuz rausgeholt. Aus Gaza hörte ich in den vergangenen Tagen Horrorstorys von wimmernden Kindern, die unerreichbar unter den Trümmern zerbombter Häuser um ihr Leben kämpften.
Mehr zur Bodenoffensive:
Nach den heftigen israelischen Angriffen auf Gaza in der letzten Nacht scheint klar: Der Krieg im Nahen Osten ist in eine neue Phase getreten. So formulierte es am Samstag auch der israelische Verteidigungsminister Joaw Gallant (64). Vielleicht war das ein letzter «Warnschuss» der Israelis an die Adresse von Hamas, endlich die über 220 nach Gaza entführten Geiseln freizulassen. Vielleicht war es der rollende Start der Bodenoffensive, weil die Geheimverhandlungen über die Freilassung der Geiseln gescheitert sind und Israel jetzt auf volle Härte gegen Hamas setzt.
Die Menschen hier in Israel sagen alle dasselbe: «Wir wollen, dass unsere Geiseln freikommen. Das ist das Einzige, was zählt.» Was mein Kontakt in Gaza, mit dem ich fast täglich im Austausch stand, zur letzten Nacht zu sagen hätte, weiss ich nicht. Ich konnte ihn am Samstag nicht mehr erreichen.