Beschimpfungen, Schmierereien, ja sogar tätliche Angriffe: Seit dem Ausbruch des Krieges zwischen den Hamas und Israel haben die antisemitischen Vorfälle auch in der Schweiz stark zugenommen. Bei der Meldestelle des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebunds (SIG) gingen in den vergangenen knapp zwei Wochen 26 Meldungen ein. Im gesamten vergangenen Jahr waren 57 Vorfälle gemeldet worden.
Antisemitische Äusserungen im Internet sind hier nicht mitberücksichtigt. Zudem erfasst die Meldestelle nur Vorfälle in der Deutsch- und italienischsprachigen Schweiz. Gemeldet wurden unter anderem auch Plakate oder judenfeindliche Äusserungen an Demonstrationen. So riefen linksextreme Kreise, Klima-Aktivisten und Kommunisten in den vergangenen Tagen unter der Parole «From the river to the sea» zu Kundgebungen auf. Die Aussage spricht Israel das Existenzrecht ab – in Deutschland gibt es Strafverfolgungsbehörden, die sie als strafbar beurteilen.
«Es darf keinen Platz für Antisemitismus geben»
Nicht nur die jüdischen Gemeinden sind alarmiert. Auch in der Politik löst das Aufflammen von Antisemitismus Besorgnis aus. Die Präsidentinnen und Präsidenten sämtlicher grösserer Parteien haben sich am Freitag in einer gemeinsamen Stellungnahme mit den Jüdinnen und Juden solidarisiert.
«Die Schweizer Parteien SP, SVP, FDP, Mitte, Grüne, Grünliberale und EVP halten in aller Klarheit fest: Es darf keinen Platz für Antisemitismus in der Schweiz geben», heisst es in der Stellungnahme. Es gebe «niemals eine Rechtfertigung für Antisemitismus», so die Parteichefs.
Die Erhebung des SIG zeige, dass Antisemitismus leider nach wie vor ein gesellschaftliches Phänomen sei, das in allen gesellschaftlichen Gruppen und politischen Lagern vorkomme. Es sei die gemeinsame Aufgabe von Behörden, Parteien, Verbänden und allen Bürgerinnen und Bürgern, mit Zivilcourage dagegen vorzugehen.
Grenzen der Meinungsfreiheit
SP-Co-Präsident Cédric Wermuth (37) sagt, dass seine Partei die gemeinsame Stellungnahme initiiert habe. «Die anderen Präsidentinnen und Präsidenten haben innert Minuten zugesagt.» Ihm gehe es darum, sehr klar die Grenzen aufzuzeigen. «Man kann in einer Demokratie vieles besprechen und unterschiedlicher Meinung sein. Aber Antisemitismus hat in unserer Demokratie keinen Platz.»
Wie die unbewilligten Kundgebungen und Aufrufe dazu zeigen, haben insbesondere ultralinke Kreise Mühe, sich deutlich vom Terror der Hamas abzugrenzen, und verbreiten im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt teilweise antisemitische Parolen. Wermuth distanziert sich davon und sagt: «Die Linke muss sich bewusst sein, dass es auch linken Antisemitismus gibt.»
Zivilcourage bedeute für ihn, dass man Antisemitismus im Alltag nicht zulasse. «Das fängt schon bei kleinen Äusserungen an.»
FDP-Präsident Thierry Burkart zeigt sich erschrocken über die Tatsache, «dass Gewalt, Drohungen und Herabsetzungen gegenüber unseren jüdischen Mitbürgern zugenommen hat». «Da müssen wir dringend dagegen halten», sagt er. Die Politik trage eine Verantwortung und müsse ganz klar Position beziehen. Zudem müsse der Schutz der Jüdinnen und Juden zwingend gewährleistet werden. (lha/SDA)