Frust über Deutschland-Shopper – Thurgauer Regierungschef warnt eindringlich
Ostschweizer wollen harte Linie gegen Einkaufstouristen

Die Schweiz greift durch und senkt die Zollfreigrenze für Shopping im Ausland. Doch Deutschland macht das Einkaufen für Schweizer einfacher. In der Ostschweiz ist man nicht zufrieden – und pocht darauf: Die Zollfreigrenze soll ganz weg.
Publiziert: 04.12.2024 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 04.12.2024 um 08:23 Uhr
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Der Einkaufstourismus in Deutschland belastet den Schweizer Detailhandel, insbesondere in den Grenzregionen der Ostschweiz.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Schweiz senkt Zollfreigrenze, Deutschland macht Einkaufstourismus attraktiver
  • Ostschweizer Kantone pochen auf kompletter Abschaffung der Wertfreigrenze
  • Ständerat erachtet Forderungen zu Einkaufstourismus als erledigt
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Die Schweiz verliert Milliarden, weil Einkaufstouristen ihr Geld in Deutschland ausgeben. Deshalb will der Bund den Gang über die Grenze unattraktiver machen: Ab Januar gilt für Einkäufe eine tiefere Zollfreigrenze von 150 statt 300 Franken.

Doch Deutschland gibt ebenfalls Gas, wie Blick publik machte: Ein digitaler Ausfuhrschein soll das nervige Abstempeln von Belegen ersetzen, und die Bagatellgrenze von 50 Euro fällt weg. Das heisst: Bald können Schweizer selbst bei kleinen Einkäufen die deutsche Mehrwertsteuer zurückfordern.

Vor allem in den Ostschweizer Grenzregionen sorgt der Einkaufstourismus seit Jahren für Unmut – nicht nur bei Gewerblern. Die Kantone St. Gallen und Thurgau schickten sogar Standesinitiativen nach Bern, die eine komplette Abschaffung der Wertfreigrenze verlangen.

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Ostschweizer geben sich nicht geschlagen

Die vorberatende Kommission beantragt nun dem Ständerat einstimmig, die Initiativen abzuschreiben. Mit der Senkung der Freigrenze auf 150 Franken seien die Hauptanliegen erfüllt. Das Geschäft ist in der laufenden Session traktandiert.

Doch so schnell geben sich die Ostschweizer nicht geschlagen, erst recht nicht nach den jüngsten Entwicklungen in Deutschland.

Die Senkung der Wertfreigrenze sei ein Schritt in die richtige Richtung und «wohl das, was realpolitisch heute machbar ist», sagt der Thurgauer Regierungspräsident Walter Schönholzer (59, FDP) zu Blick. Die Forderung seines Kantons sei damit aber nicht erfüllt.

«Wir werden nun beobachten, wie sich die Senkung auf 150 Franken in der Realität bewährt, und das Ganze gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt neu lancieren», kündigt der Volkswirtschaftsdirektor an.

Ähnlich äussert sich die Thurgauer Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli-Koller (66). Man habe bereits jahrelang kämpfen müssen, um zumindest die Senkung zu erreichen, betont sie. «Es ist ein wichtiger Schritt nach vorne. Nun müssen wir beobachten, wie sich die Lage entwickelt.»

Bund könnte Mehreinnahmen gebrauchen

Regierungschef Schönholzer spricht von einer Wettbewerbsverzerrung: Wer im Ausland einkaufe, solle «zumindest in einem Land Mehrwertsteuer bezahlen und nicht mit der Steuerbefreiung noch zusätzlich belohnt werden».

Er greift damit einen wunden Punkt auf. Nach den Regeländerungen gilt künftig: Wer als Schweizer in Deutschland für umgerechnet bis zu 150 Franken einkauft, muss nach der Rückforderung nirgendwo Mehrwertsteuer bezahlen. Derzeit sind Einkäufe zwischen 50 Euro und 300 Franken faktisch mehrwertsteuerfrei.

«Ich denke, der Bund könnte die Mehreinnahmen bei der Mehrwertsteuer sehr gut gebrauchen», ist Schönholzer zudem überzeugt. An Bedarf dürfte es in der Tat nicht mangeln. So möchte der Bundesrat etwa gerne die 13. AHV-Rente über die Mehrwertsteuer finanzieren.

Der Bund warnt vor Bürokratie: Der administrative Mehraufwand für den Zoll, der bei einem Verzicht auf die Wertfreigrenze entstünde, wäre demnach erheblich. Schliesslich müssten dann sämtliche Auslandseinkäufe verzollt werden.

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