Fertig Stempel-Frust, fertig 50-Euro-Grenze
So macht Deutschland die Schweizer Einkaufstouristen wieder happy

Bern zieht beim Einkaufstourismus die Schraube an, aber: Deutschland führt bald den digitalen Ausfuhrschein ein und streicht damit die sogenannte Bagatellgrenze von 50 Euro. Dafür haben deutsche Politiker lange gekämpft. Sie erklären Blick, was geplant ist.
Publiziert: 00:20 Uhr
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Als Faustregel dürfte künftig gelten: Wer in Deutschland für bis zu 150 Franken einkauft, muss nach der Rückforderung nirgends Mehrwertsteuer bezahlen.
Foto: Siggi Bucher

Auf einen Blick

  • Einkaufstourismus: In Deutschland kommen Vereinfachungen für Schweizer
  • Digitaler Ausfuhrschein und Abschaffung der 50-Euro-Bagatellgrenze
  • Mehrere Milliarden Franken gehen Schweiz durch Einkaufstourismus verloren
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Sven AltermattCo-Ressortleiter Politik

Bern will den Schweizer Einkaufstouristen ans Portemonnaie: Ab Januar wird die Zollfreigrenze für Einkäufe im Ausland von 300 auf 150 Franken pro Person gesenkt. Damit werden die Euro-Schnäppchen in Deutschland für Schweizerinnen und Schweizer unattraktiver. Wer für mehr Geld ennet der Grenze shoppt, muss seine Einkäufe mit der hiesigen Mehrwertsteuer versteuern.

Doch Deutschland hat einiges in petto, damit der Einkaufstourismus trotzdem attraktiv bleibt. Deutsche Spitzenpolitiker kämpfen dafür, dass ihr lokales Gewerbe weiterhin profitieren kann. Und sie wollen gleichzeitig die Schweizer Kundschaft bei Laune halten.

Stau am Zoll, nerviges Abstempeln von Belegen? Das soll bald Geschichte sein – dank des digitalen Ausfuhrscheins. Und: Die sogenannte Bagatellgrenze von 50 Euro wird fallen. Schweizer Einkaufstouristen sollen in Zukunft die deutsche Mehrwertsteuer bei jedem Einkauf, also auch bei unter 50 Euro pro Laden, erstatten lassen können.

Politiker lobbyieren in Berlin

Die SPD-Bundestagsabgeordnete Rita Schwarzelühr-Sutter (62) aus der süddeutschen Grenzstadt Waldshut setzt sich seit Jahren für entsprechende Erleichterungen ein. Die Staatssekretärin sagt zu Blick: «Die Einführung des digitalen Ausfuhrscheins ist ein einfacheres und komfortableres Verfahren für Schweizer Kunden, die in Deutschland einkaufen.»

Ähnlich äussert sich der CDU-Abgeordnete Felix Schreiner (38), Vorsitzender der deutsch-schweizerischen Parlamentarier-Gruppe. Er glaubt fest daran: Der Hochrhein wird für Schweizer attraktiv bleiben, Verschärfungen aus Bern hin oder her.

Schreiner geht davon aus, dass der deutsche Detailhandel die Nachfrage auf hohem Niveau halten kann – «gerade auch dann, wenn die Bagatellgrenze aufgehoben wird». Hoffnungen setzt er auch auf den digitalen Ausfuhrschein, den er und seine Mitstreiter im Bundestag seit langem fordern.

Worum geht es genau? Ab Mitte 2026 soll der Ausfuhrschein, mit dem Schweizer beim nächsten Einkauf die deutsche Mehrwertsteuer zurückfordern können, digital werden. Heute müssen Millionen von Zetteln am Zoll von Hand abgestempelt werden. Deswegen kommt es oft zu Staus.

Damit soll Schluss sein: Statt Abstempeln wird eine Smartphone-App reichen, um die Mehrwertsteuer zurückzuerstatten. Im Juli 2025 startet die Testphase.

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Einführung lange verschleppt

Die Einführung der App verzögerte sich über Jahre. Erst waren die Behörden im fernen Berlin skeptisch, dann floss das Geld nicht. Mehrere Anläufe scheiterten. Abgeordnete machten immer wieder Druck.

«Es ist bemerkenswert, dass eine digitale Lösung im Jahr 2024 noch nicht selbstverständlich ist», kritisiert CDU-Mann Schreiner. «Umso wichtiger ist es, dass sich meine zahlreichen Vorstösse nun endlich in die Realität umsetzen lassen.»

Nach Einführung der App wird auch die 50-Euro-Bagatellgrenze gestrichen. Dies dürfte ebenfalls noch 2026 der Fall sein, wie die deutsche Generalzolldirektion auf Anfrage bestätigt. Dann gibts die Mehrwertsteuer auch wieder für alle kleineren Einkäufe zurück.

Nach der Verschärfung der Zollfreigrenze einerseits und dem Wegfall der Bagatellgrenze andererseits gilt unter dem Strich also bald: Wer als Schweizer in Deutschland für bis zu 150 Franken einkauft, muss nach der Rückforderung nirgends Mehrwertsteuer bezahlen.

Schweiz entgehen Milliarden

Die Bagatellgrenze wurde vor fünf Jahren eingeführt. Deutsche Detailhändler beklagten daraufhin Umsatzeinbussen, besonders bei Alltagseinkäufen. Die Zöllner mussten deutlich weniger Ausfuhrzettel abstempeln. Die digitale Lösung soll sie ganz von dieser eintönigen Arbeit entlasten.

Neben dem starken Franken gilt die Rückerstattung der Mehrwertsteuer-Differenz als wichtigster Anziehungspunkt für Einkaufstouristen. Die deutsche Mehrwertsteuer ist mit 19 Prozent deutlich höher als der Schweizer Normalsatz von 8,1 Prozent.

Der Schweizer Detailhandel sorgt sich um die Umsätze, die durch Einkaufstourismus nach Deutschland abfliessen. Branchenverbände schätzen gar, dass dem hiesigen Handel so jährlich mehr als 10 Milliarden Franken entgehen.

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