Darum gehts
- Papst Franziskus traf US-Vizepräsident Vance für kurzen Osterplausch
- Franziskus kritisierte oft mächtige Politiker wie Trump, Putin und Netanyahu
- Wird auch der Nachfolger von Franziskus den Machthabern die Stirn bieten?
Es war ein kurzer, freundlicher Osterplausch – und trotzdem voller Symbolik: Papst Franziskus (†88) hat sich am Ostersonntag kurz mit US-Vizepräsident J. D. Vance (40) im Gästehaus Santa Marta getroffen. Vance war damit der letzte mächtige Politiker, der den Papst gesehen hat.
Streit um Nächstenliebe mit «Gringos»
US-Präsident Donald Trump (78) steht für vieles, was der Pontifex ablehnte: für ungezügelten Kapitalismus, Stimmungsmache gegen Migranten, willkürliche Ausschaffungen, «America First». Als Argentinier blickte Franziskus besonders kritisch auf die USA: Allzu oft haben sich die «Gringos» (spanisch für «Amis») in die Angelegenheiten Lateinamerikas eingemischt. Bei anderen Fragen wie Abtreibung oder Genderthemen steht die Trump-Administration dem Vatikan deutlich näher als die US-Demokraten.
Trotzdem spitzte sich im Frühjahr der Streit zwischen Franziskus und dem US-Vizepräsidenten zu. Vance, der 2019 zum Katholizismus konvertiert war, versuchte, Trumps Massenabschiebungen christlich zu deuten: Vance entwarf eine «Hierarchie der Nächstenliebe» und sagte, US-Amerikaner müssten sich zuerst um ihre Familien und um ihr Land kümmern. Papst Franziskus wies das entschieden zurück, schliesslich ist nach christlichem Verständnis die Nächstenliebe absolut – sie gilt für alle Menschen, unabhängig von Nationalität, Religion oder Ethnie.
Auch wenn der Papst beim Osterplausch nicht mehr die Kraft hatte, Vance die Leviten zu lesen: Zwischen den Zeilen dürfte J. D. Vance die Kritik des Vatikans noch mal vernommen haben. Zumal die Nummer zwei des Vatikans, Kardinal Pietro Parolin (70), die US-Politik kurz vor Ostern kritisiert hatte, etwa bei den Kürzungen der humanitären Hilfe der USA. Der Vatikan stehe «konsequent für einen multilateralen Ansatz und glaubt, dass das internationale Recht und der Konsens der Staaten immer gefördert werden müssen», sagte Parolin.
Auch mit anderen Mächtigen stand Papst Franziskus im Clinch.
Bei Selenski in Ungnade gefallen
Papst Franziskus war in der Ukraine umstritten. Die Ukrainer verstanden nicht, warum der Papst Putin nicht auf Schärfste verurteilte. Dabei gehört es zur Tradition der Vatikan-Aussenpolitik, zwischen den Zeilen zu kritisieren, um diplomatische Türen offenzuhalten. Zwar spielte der Heilige Stuhl bei humanitären Gesten wie entführten Kindern und Austausch von Kriegsgefangenen eine Rolle – als Vermittler zwischen Ukraine-Präsident Wolodimir Selenski (47) und Russlands Machthaber Wladimir Putin (72) konnte der Papst aber nicht reüssieren. Der Papst war bei Selenski sehr in Ungnade gefallen, etwa mit der Äusserung, die Nato habe zu sehr vor den Türen Russlands gebellt.
Prognose: Franziskus' Nachfolger kann einen Neuanfang als Vermittler zwischen Kiew und Moskau versuchen.
Scharfe Kritik an Putins «Messdiener»
Papst Franziskus hat sich vor allem Wladimir Putins verlängerten Arm vorgeknöpft, Patriarch Kyrill (78). Das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche hatte Putins Feldzug gegen die Ukraine als Heiligen Krieg ausgegeben. In einer Videokonferenz, an der auch der Schweizer Kardinal Kurt Koch (75) teilnahm, sagte Franziskus zu Kyrill: «Bruder, wir sind keine Staatskleriker und dürfen nicht die Sprache der Politik, sondern müssen die Sprache Jesu sprechen.» Später gab Franziskus ein undiplomatisches Interview: «Der Patriarch kann sich nicht einfach zum Messdiener Putins machen.» Seitdem ist das Verhältnis zwischen Rom und Moskau vergiftet.
Prognose: Franziskus’ Nachfolger könnte auch hier einen Neuanfang wagen.
Spannung mit Netanyahu wegen Genozid-Vorwurf
Papst Franziskus telefonierte lange Zeit jeden Tag mit einem katholischen Priester im Gazastreifen und war sowohl von der Gewalt der Hamas als auch von der Reaktion der israelischen Regierung entsetzt. Bei Israels Premier Benjamin Netanyahu (75) fiel Franziskus in Ungnade, weil der Papst Genozid-Vorwürfe juristisch prüfen lassen wollte.
Prognose: Das Verhältnis zur israelischen Regierung dürfte angespannt bleiben – zuletzt kam es über Ostern zu Spannungen, als Vertreter der katholischen Kirche von der israelischen Polizei daran gehindert wurden, die Grabeskirche in Jerusalem zu besuchen.
Von Milei übel beschimpft
Papst Franziskus und der argentinische Präsident Javier Milei (54) waren in grosser Abneigung miteinander verbunden. Milei beleidigte Franziskus im Wahlkampf 2023 mehrfach scharf («Hurensohn», «Dummkopf») und warf ihm vor, Kommunismus zu fördern und sich auf die Seite von linken Diktaturen in Lateinamerika zu stellen. Papst Franziskus wiederum warnte vor «Rattenfängern». Zwar gab es später eine herzliche Begegnung im Vatikan, doch der soziale Papst und der neoliberale Kettensägen-Präsident passten einfach nicht zusammen.
Prognose: Der neue Papst wird kein Argentinier, insofern dürfte das Verhältnis zwischen Rom und Buenos Aires unbefangener werden. Inhaltlich bleibt der Dissens: Die katholische Kirche steht an der Seite der Armen und Schwachen.
Anbiederung an Xi Jinping?
Papst Franziskus hatte grosses Interesse an China. Das hat damit zu tun, dass der Papst dem Jesuiten-Orden angehörte, der einst China missionierte. Doch es ist kompliziert: Der Heilige Stuhl zählt zu den wenigen Staaten, die diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhalten – und nicht zu China. Franziskus tat alles, um die Beziehungen zu Xi Jinping (71) in Peking zu stärken und ein Geheimabkommen abzuschliessen, um die Situation für die katholische Kirche in China zu verbessern. Peking wusste das zu schätzen, Franziskus’ Kritiker hingegen sprachen von Anbiederung an die kommunistischen Machthaber.
Prognose: Der neue Papst dürfte die Annäherung an China fortsetzen – Peking ist für die Geopolitik zu wichtig.
Die Menschen liebten Papst Franziskus dafür, dass er kein Blatt vor den Mund nahm und Klartext sprach. Auch wenn er damit gegen diplomatische Konventionen verstiess: Franziskus war eine gefragte moralische Stimme, die der Weltpolitik fehlen wird.