Neun Bundesräte statt sieben. Das fordert im «Tages-Anzeiger» der Autor Alan Cassidy. Eine bestechende Idee: Die sieben haben es, übers Ganze gesehen, bisher ganz gut gemacht; also bedeuten zwei mehr auch mehr Qualität. Dieser Logik folgend, wären elf Bundesräte noch besser als neun. Warum nicht gleich im Dutzend billiger? Schliesslich gehören aufgeblähte Ministerriegen in Europa zur Normalität.
Fünf Bundesräte statt sieben. Das fordert in der «NZZ am Sonntag» die Autorin Anja Burri. Auch diese Idee ist bestechend, heisst es doch oft: Weniger wäre mehr. Wer könnte dieser Effizienz-Variante widerstehen, zumal sie auch noch günstiger käme? Am Schreibtisch vor dem Laptop gedeihen nun mal die originellsten Lösungen für die Schweiz.
Aber braucht das Land eine Lösung? Ist der Bundesrat in seiner heutigen Zusammensetzung ein unzulängliches Kollegium? Denn ein Kollegium ist er doch: mit gemeinsamer Verantwortung von sieben Gleichen, deren Gleichheit nicht einmal durch den jährlich wechselnden Bundespräsidenten infrage gestellt wird.
Darum gibts ja auch keine Staatsbesuche der Schweiz im Ausland, denn das helvetische Staatsoberhaupt sind die sieben gemeinsam; sie müssten also, um dem internationalen Protokoll zu genügen, einer hinter dem anderen die Flugzeugtreppe heruntersteigen. Was für ein Spektakel! Doch es wird dem Rest der Welt vorenthalten. Das Kollegium bleibt zu Hause. Es reist stattdessen der Bundespräsident, und der ist nicht das Staatsoberhaupt.
Ja, so ganz besonders ist die Schweiz: republikanisch bis ins bedeutendste Amt. Diese bescheiden-stolze Eigenschaft ist die Bedingung für das Funktionieren der Regierung: Man einigt sich auf Lösungen, die gemeinsam – kollegial – gefunden werden, in der Regel durch Diskussion. Die führt allerdings nicht immer zum besten Resultat, wie, um ein aktuelles Beispiel anzuführen, der Verzicht auf ein Rahmenabkommen mit der Europäischen Union gezeigt hat: Statt für die Reform der Beziehungen Schweiz-EU zu kämpfen, zog der Bundesrat den Schwanz ein.
Solcher Kleinmut ist zu kritisieren. Doch hätten neun Bundesräte oder gar nur noch fünf ein besseres Resultat er-diskutiert? Wohl kaum. Mit neun Regierungsmitgliedern liesse sich die Kollegialität – die Gemeinsamkeit – nicht mehr gewährleisten. Schwierige Konstellationen wären die Folge: vier gegen fünf, zwei gegen sieben. Das journalistische Geplapper, das sich daraus ergeben würde, nähme kein Ende, denn auch die heute einigermassen funktionierende Verschwiegenheit des Gremiums liesse sich nicht aufrechterhalten.
Und fünf Bundesräte? Absurd. Die Integrationskraft des höchsten Gremiums im Bundesstaat wäre fatal geschwächt. Wer sollte die Regierung bilden? Eine knappe parlamentarische Mehrheit ohne wirkliche Kraft?
Die sieben vollbringen eine Integrationsleistung, für die sie zu bewundern sind, gerade in der aktuellen Konstellation. Sie zivilisieren sogar die SVP: Der einstige Populisten-Bajazzo Ueli Maurer ist heute ein gediegener Finanzminister, auch wenn er kürzlich im Trychler-Hemdchen einen Rückfall erlitt; Guy Parmelin hat in seinem Präsidialjahr staatsmännisches Format aufblitzen lassen. Und kommt es dereinst zum Einzug der Grünen in die Landesregierung, wird das Kollegium auch die berauschten Missionare der Klimareligon aufs nüchterne Bundesratsmass zurechtstutzen.
Die Zahl Sieben – die Schöpfungszahl – hat etwas Magisches, ganz besonders für die republikanisch zurückhaltende Schweizer Regierungskultur. Mühselig ist sie für die Bundesräte, die gleichzeitig mehreren Ministerien vorstehen. Mühselig ist sie auch für den Umgang mit ihnen, weil sie immer wieder im Kollektiv verschwinden.
Doch die Institution an der Spitze des Bundesstaates ist mehr als ihre Leistungskraft. Der Bundesrat ist in sich ein politischer Akt. Er ist der Nukleus der Schweiz. Wer diese geniale Konstruktion zum Zahlenspiel verzwergt, um die Effizienz zu steigern, zerstört unverzichtbare Substanz der Republik.