Frank A. Meyer – die Kolumne
Ein fehlbarer Bürger

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Publiziert: 12.12.2021 um 00:44 Uhr
Frank A. Meyer

Wer ist António Horta-Osório? Er ist der oberste operative Chef der Credit Suisse, also Manager von Geld, von viel Geld, von Unsummen gar. Für diese Tätigkeit wird er, wie seine Managerkollegen in diesem Geschäft, mit sehr, sehr viel Geld belohnt.

Was ist António Horta-Osório sonst noch? Ist er eine moralische Instanz?

Man könnte es meinen. Er soll nämlich, wie die Compliance-Expertin Monika Roth fordert, zurücktreten: Er habe sich unmoralisch verhalten, indem er gegen Corona-Regeln verstiess, als er, emsig-eilig, wie das zum Finanzbusiness gehört, mit einem Flug die Quarantänevorschriften missachtete.

António Horta-Osório ist ein fehlbarer Bürger. Mehr nicht.

Doch er wird zu mehr gemacht: zu einem Manager mit Vorbildcharakter. Woraus ist dieser Vorbildcharakter abzuleiten? Aus der Topposition in einem Geldhaus, das unter anderem Katar gehört, also einer üblen islamischen Diktatur? Wäre diese Tatsache nicht viel eher moralischer Erwägungen wert als der dreiste Flug?

Es gehört zur moralingetränkten Medienmentalität, dass jedes fehlerhafte oder gar unanständige Verhalten einer irgendwie herausgehobenen Person eilfertig zum Sündenfall hochstilisiert wird. Ganz, als wären Manager Fürstenfiguren einer feudalen Gesellschaft, die dem untertänigen Volk Beispiele hochanständiger Lebensführung zu sein haben – eine geradezu voraufklärerische Zuschreibung.

Die Überhöhung des Managertums ist grotesk, zumal im Bankenwesen, das doch sehr gewöhnliche, um nicht zu sagen: vulgäre Tätigkeiten beinhaltet.

Nicht einmal aus der Verantwortung ist der moralische Anspruch an Inhaber von Topjobs abzuleiten, denn die Grösstverdiener der freien Wirtschaft tragen nahezu allesamt goldene Fallschirme, die sie auch im Falle gröblichen Versagens sanft landen lassen. Dies beispielsweise im Gegensatz zum Arzt, der eine Operation verpatzt. Erfahrungen übrigens, die sogar Wirtschaftsmächtige machen, wenn sie mal, bang vor Angst, auf dem Operationstisch liegen: eine Begegnung mit echter Verantwortung.

Der Bürger António Horta-Osório soll sich in Zukunft benehmen wie andere Bürger: möglichst anständig – und ein wenig bescheidener. Das genügt. Mehr moralische Aufmerksamkeit gebührt seinem Alltagsverhalten nicht.

Führt er die CS aus ihrer Misere? Das allerdings ist jede Aufmerksamkeit wert.

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