Der Schaden ist angerichtet. Dass Bundespräsident Alain Berset (50) andere des «Kriegsrauschs» bezichtigt, hat viele verärgert. Westliche Staaten fühlen sich vor den Kopf gestossen, genauso wie die Parteien im Bundesparlament. Gerade auch Bersets eigene Partei, die SP.
Man könne gegen die Weitergabe von Kriegsmaterial sein. Aber Andersdenkende derart zu verunglimpfen, sei eines Bundespräsidenten unwürdig, heisst es in der Wandelhalle. «Viele in der SP haben lange an Lösungen gearbeitet, damit die Schweiz trotz ihrer Neutralität Waffenlieferungen ermöglichen kann und dann grätscht Berset einfach rein», beklagt sich eine SP-Politikerin.
«Wohl an westliche Regierungen gerichtet»
«Ich spüre heute in gewissen Kreisen einen Kriegsrausch» – Berset selber will sich zu seiner Aussage derzeit nicht mehr äussern. Die SP-Spitze dagegen hat rasch und deutlich klargemacht, dass sie diese Einschätzung nicht teilt.
Bei ihrer Interpretation versuchen sich Sozialdemokraten in Schadensbegrenzung: «Ich habe den Eindruck, dass sich Bersets Botschaft an westliche Regierungen gerichtet hat, die Druck auf die Schweiz machen. Berset wollte wohl die Haltung der Gesamtregierung aus Neutralitätsgründen nochmals in aller Deutlichkeit klarstellen.»
Kommunikatives Fiasko
Die Einbettung der Aussage sei aber im Interview zu wenig deutlich geworden, heisst es aus der SP. «Es blieb unklar, wen er meinte. Das ist sicher ein Fehler.»
Man wundert sich demnach auch in Bundesbern, warum Bersets Kommunikationsteam nicht eingegriffen habe. «Man hätte wissen müssen, dass ihm das Interview um die Ohren fliegt», heisst es.
Wenn es das Ziel gewesen sei, als Schweiz im Ausland wieder klar neutral aufzutreten, sei dieses Ziel vielleicht sogar erreicht worden, heisst es sonst bei der SP. «Er hat aber offensichtlich unterschätzt, wie viel Geschirr er damit zerschlägt.»
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Mitte fühlt sich direkt angegriffen
Bei der Mitte-Partei fühlt man sich direkt angegriffen durch Bersets Aussage. Indem der Bundespräsident nicht klargemacht habe, bei wem er diesen «Kriegsrausch» verorte, habe er der Mitte einen Seitenhieb verpasst. Denn es ist bekannt, dass sich Mitte-Verteidigungsministerin Viola Amherd (60) deutlich offener für die Weitergabe von Kriegsmaterial gezeigt hat - damit in der Regierung und im Parlament aber keine Mehrheit finden konnte.
Wegen der offensichtlichen Verärgerung soll Berset nun den Kontakt zur Mitte gesucht haben – wohl um die Wogen wieder zu glätten. Doch auf dieses Gespräch hat man dort augenscheinlich nicht sonderlich Lust. Bisherige Avancen wurden abgewiesen. So schnell lassen sich die Scherben nicht mehr kitten.
Selbst die Grünen zeigen sich ob der Tonalität von Bersets Aussage betroffen. Gegenüber «20Minuten» sagt deren Präsident, Balthasar Glättli (51): «Heute würde ich Berset nicht mehr zum Bundespräsidenten wählen.» Es sei schlecht für die Schweiz, wenn der Präsident der Landesregierung «russlandfreundliche Positionen» vertrete. Im Dezember habe er den SP-Bundesrat noch in diese Funktion gewählt – auch weil er in der Corona-Krise einen guten Job gemacht habe, so Glättli.