Elf Verfahren seit Kriegsbeginn – bald kommt ein zwölftes hinzu
Militärjustiz ermittelt gegen Schweizer Kämpfer

Im Ukrainekrieg kämpfen auf beiden Seiten ausländische Söldner. Auch einige Schweizer sind in den Krieg gezogen – wie etwa der Zürcher Jona Neidhart. Doch fremde Dienste sind verboten. Bisher hat die Militärjustiz elf Verfahren geführt, ein zwölftes dürfte bald folgen.
Publiziert: 19.02.2024 um 12:19 Uhr
|
Aktualisiert: 19.02.2024 um 18:55 Uhr
1/7
Der Zürcher Jona Neidhart kämpft aufseiten der Ukraine gegen die Russen. Bei einer Rückkehr in seine Heimat droht ihm dafür Gefängnis.
Foto: Samuel Schumacher
RMS_Portrait_AUTOR_1047.JPG
Ruedi StuderBundeshaus-Redaktor

Seit zwei Jahren tobt der russische Angriffskrieg in der Ukraine. Hunderttausende Soldaten sind auf beiden Seiten im Einsatz – darunter auch freiwillige Kämpfer aus dem Ausland.

In den sozialen Medien finden sich entsprechende Accounts – etwa jener der multinational zusammengesetzten «Internationalen Legion», aber auch länderspezifische wie eine «georgische Legion» oder das mit Belarussen besetzte «Kastus Kalinouski Regiment» berichten über ihren Einsatz.

Elf Verfahren seit Kriegsbeginn

Einen derartigen Schweizer Kampftrupp gibt es zwar nicht. Doch aufseiten der Ukraine stehen einige Schweizer Bürger, auch Doppelbürger, im Einsatz. Wie beispielsweise der Zürcher Jona Neidhart (36), der seit zwei Jahren für die Ukraine kämpft und im Blick seine Beweggründe erklärt. Oder der Schaffhauser Avi Motola (48).

«Die Schweiz hat die Haltung eines Feiglings»
3:38
Soldat Jona Neidhart:«Die Schweiz hat die Haltung eines Feiglings»

Bloss: Dieser Einsatz für fremde Dienste ist verboten. Und so beschäftigt sich auch die hiesige Militärjustiz mit den Schweizer Söldnern. «Die Militärjustiz führte seit 2022 bisher elf Verfahren in Zusammenhang mit dem Verdacht auf Leisten von fremdem Militärdienst im Ukrainekrieg», sagt Mediensprecher Florian Menzi. «Zwei davon wurden eingestellt, verurteilt wurde bisher niemand.»

Aktuell sind also neun Verfahren noch am Laufen. Allerdings kommt mit Neidhart bald ein zwölftes hinzu. «Der Fall war uns bisher nicht bekannt», sagt Menzi. «Wir prüfen nun, ob ein Verfahren gegen ihn eröffnet wird.» Neidhart hat bereits angekündigt, dass er sich der Militärjustiz stellen wird, falls er dereinst lebend in die Schweiz zurückkehrt.

Dann droht ihm eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. So sieht es das Militärstrafgesetz vor. Straflos bleiben nur jene, die auch eine andere Staatszugehörigkeit besitzen und in diesem andern Staat niedergelassen sind, und wenn sie dort Militärdienst leisten.

Ermittlungen schwierig

Da Neidhart offen zu seinem Einsatz steht, dürfte dereinst auch ein Urteil erfolgen. In den übrigen Fällen ist fraglich, ob es je zu einem Urteil kommt. Meist stellen sich mehrere Hürden. «Die Ermittlungen sind sehr aufwendig bei einem Land, das sich im Krieg befindet», sagt Menzi. So sei etwa der definitive Aufenthaltsort der Betroffenen nicht immer greifbar. «Unsere Möglichkeiten sind da limitiert.»

«Wir kämpften zu sechst gegen 80 Russen»
7:00
Neidhart erzählt von der Front:«Wir kämpften zu sechst gegen 80 Russen»

Kommt hinzu, dass eine Verurteilung in Abwesenheit schwierig ist. «Es stellt sich dabei etwa die Frage nach dem rechtlichen Gehör», so Menzi. «Irgendwie muss sich eine Person verteidigen können.» Wenn die Betroffenen also nicht in die Schweiz oder zumindest in die EU zurückkehren, wird es schwierig.

Ein Urteil von 2020

Das zeigen auch die bisherigen Erfahrungen. So wurden schon vor dem russischen Überfall 2022 drei Verfahren im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Ukraine eingeleitet, der seit 2014 für ein Blutvergiessen sorgt.

Von diesen drei Verfahren ist eines noch hängig. «Bei einem Verfahren erging eine Einstellungsverfügung, da der Anfangstatverdacht sich nicht genügend erhärten liess», so Menzi.

«Bereits im Amerikanischen Bürgerkrieg kämpften Schweizer»
2:02
Militärhistoriker Rudolf Jaun:«Bereits im Amerikanischen Bürgerkrieg kämpften Schweizer»

In einem dieser drei Verfahren hingegen gab es 2020 einen Strafbefehl, der rechtskräftig ist. Der Beschuldigte war ein junger Mann aus dem Tessin, der sich 2015 für über ein Jahr prorussischen Separatisten in der Region Donezk angeschlossen hatte. Wie die «Aargauer Zeitung» berichtete, wurde er zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu 30 Franken sowie zu einer Busse verurteilt. Das tiefe Strafmass deutet darauf hin, dass es sich um eine untergeordnete Hilfe handelte.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?