Manchmal, wenn ein Geschäft wirklich wichtig ist, raufen sich Politikerinnen und Politiker zusammen und schliessen einen Kompromiss. So geschah es Anfang vergangener Woche in Bundesbern. Nach einer Nacht der Diskussionen war plötzlich eine Lösung gefunden, der Ausweg aus einer höchst verfahrenen Situation.
Es ging um die Wiederausfuhr von Waffen aus Schweizer Produktion durch Drittländer. Das kurz vor Russlands Angriff auf die Ukraine verschärfte Kriegsmaterialgesetz verbietet dies – was nicht nur im Ausland für Unverständnis und Ärger sorgt.
Der Kompromiss, den Sicherheitspolitikerinnen und -politiker von FDP und SP nun vorlegen, ist mehrheitsfähig, aber auch kompliziert. Ländern wie Deutschland oder Spanien soll es künftig erlaubt sein, in der Schweiz gekauftes Rüstungsmaterial an die Ukraine weiterzugeben.
Die Regelung würde auch für Waffen und Munition gelten, die mehr als fünf Jahre vor Inkrafttreten der Gesetzesanpassung exportiert worden sind – vorausgesetzt, die Uno stellt zuvor einen Verstoss des Angreifers gegen das Völkerrecht fest und die ausfuhrwilligen Länder reichen beim Bundesrat ein Gesuch ein.
Applaus von SVP und Grünen
Dass die Politikerinnen und Politiker diese Anpassung des Kriegsmaterialgesetzes mittels einer Parlamentarischen Initiative erreichen wollen, ist ein cleverer Schachzug. Die Ausarbeitung des Gesetzentwurfs obliegt den dafür zuständigen Kommissionen – unter Umgehung des Bundesrats. Der hat nämlich wiederholt klargemacht, dass er an der bisherigen Praxis festhalten will: keine Lockerung bei der Wiederausfuhr. Applaus für diese Haltung bekommt er nur von SVP und Grünen. Die Polparteien stemmen sich, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, grundsätzlich gegen jegliche Lockerung des Kriegsmaterialgesetzes.
Gleichwohl fand der Bundesrat am Donnerstag mit der Stellungnahme zu einer Motion, die dem Vorschlag von SP und FDP in Grundzügen ähnelt, einen Weg, den Kompromiss zu kommentieren. Das Votum fällt für die Autoren der Initiative ernüchternd aus: Der vermeintliche Ausweg aus der Sackgasse verletze das Neutralitätsrecht, so die Landesregierung, und sei deshalb untauglich.
Harsche Kritik kommt nun auch aus den eigenen Reihen. FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann (60) bezeichnet den Kompromiss gegenüber SonntagsBlick als nicht umsetzbar. Die darin festgehaltenen Einschränkungen verstossen nach seinem Wissensstand gegen das Neutralitätsrecht. Nach dem Verständnis des Zürchers gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man lässt die Parlamentarische Initiative bleiben, oder sämtliche Bedingungen – ausser der auf fünf Jahre festgesetzten Nichtwiederausfuhr-Verpflichtung seitens einer Käufernation – werden gestrichen.
Nicht kompromissbereit
Unter anderem geht es um den Passus, laut dem kein Risiko bestehen darf, dass das Kriegsmaterial gegen die Zivilbevölkerung eingesetzt wird. «Das ist doch realitätsfremd», sagt Portmann. «Auch im Donbass sind Zivilisten gestorben in diesem Krieg.» Demnach dürfte die Ukraine nicht mit Kriegsmitteln aus Schweizer Produktion ausgerüstet werden. Zudem, so der Freisinnige weiter, bringe der Kompromiss der hiesigen Rüstungsindustrie nichts. Es gebe darin schlicht zu viele Auflagen. «Jedes Land wird sich sagen: ‹Da steigen wir nicht darauf ein.›»
Allzu viele Hoffnungen macht sich Portmann nicht. Ausser mit Einzelanträgen, die von der linken Seite abgeschmettert werden dürften, sei da nichts mehr zu machen. «Dieser Zug ist wohl abgefahren, das Problem bleibt ungelöst.»
Die FDP mag den Ausreisser nicht gross kommentieren. Portmann habe seine eigenen Ansichten, das sei nichts Neues, sagt FDP-Chef Thierry Burkart (47). Gegen das Neutralitätsrecht verstosse die Parlamentarische Initiative jedoch keineswegs: «Das Haager Abkommen regelt die Wiederausfuhr nicht.»
Maja Riniker (44), FDP-Nationalrätin und Mitinitiantin des Kompromisses, lädt ihren Parteikollegen Portmann ausdrücklich ein, sich in den Gesetzgebungsprozess einzubringen: «Vorschläge sind immer willkommen.»
Wenig beeindruckt, weder von der Haltung des Bundesrats noch von Portmanns Opposition, zeigt sich SP-Nationalrätin Franziska Roth (56). Die Regierung verstricke sich zwar in Widersprüche, sagt die zweite Initiantin des Kompromisses, aber: «Der Bundesrat will sich nicht bewegen.» So heisse es etwa im Neutralitätsbericht des Bundesrats von 1993, dass das System immer ein aktives Handeln gegen einen Friedensbrecher verlange.
Portmann wiederum gehe es laut Roth ausschliesslich um die Stärkung der hiesigen Rüstungsindustrie. «Dafür werden wir aber keinen Fingerbreit nachgeben.»
Mit dem Kompromiss liege eine gute Lösung vor, betont Roth. Portmanns Einwand, im Donbass stünden Zivilisten unter Beschuss, gelte nicht: «Die Ukraine übt ihr von der Uno anerkanntes Recht auf Selbstverteidigung aus.»
Es gehe jetzt darum, Solidarität mit den Ukrainern und den europäischen Ländern zu zeigen, so die Sozialdemokratin. «Auch wenn es sich lediglich um ein paar Tausend Patronen handelt, dürfen wir unseren Partnern keine Steine in den Weg legen.»