Die Schweiz soll nicht abseitsstehen, sondern anderen Staaten ermöglichen, Schweizer Waffen an die Ukraine zu liefern. Der Bundesrat lehnt das bislang ab, denn das Kriegsmaterialgesetz verbietet es der Schweiz, anderen Ländern zu gestatten, Waffen an Dritte weiterzugeben – in diesem Fall die Ukraine. So durfte Dänemark keine Schweizer Piranha-Radschützenpanzer weitergeben, Deutschland keine Panzermunition und Spanien keine Flugabwehrkanonen.
Das soll sich ändern, findet die Sicherheitspolitische Kommission des Nationalrats. Am Dienstag hat sie mit 14 gegen 11 Stimmen eine «Lex Ukraine» gefordert: Die Schweiz soll auf die Nichtwiederausfuhr-Erklärung verzichten, wenn «die Wiederausfuhr des Kriegsmaterials an die Ukraine im Zusammenhang mit dem russisch-ukrainischen Krieg erfolgt». Geht es nach der Kommission, tritt die Gesetzesänderung schon am 1. Mai in Kraft und wäre vorerst bis Ende 2025 befristet.
«Neutralitätsrechtlich nicht haltbar»
Die Schweizer Neutralität werde damit nicht verletzt, ist die Mehrheit der Sicherheitspolitiker überzeugt: Denn die Schweiz selbst würde keine Waffen direkt an die Ukraine liefern. Experten sehen das deutlich anders. «Dieser Vorschlag scheint mir neutralitätsrechtlich nicht haltbar», sagt die Völkerrechtsprofessorin Evelyne Schmid von der Uni Lausanne gegenüber Radio SRF. «Ein neutraler Staat darf zwar Kriegsmaterial exportieren, aber er muss alle Kriegsparteien gleich behandeln.» Das stehe so in den Haager Abkommen. Heisst also: Die Schweiz müsste dann auch erlauben, Waffen an Russland zu liefern.
Eine zweite Kommissionsmotion, die aus der Feder der SP stammt, hat für Schmid ihre Tücken. Der Vorschlag lautet, dass der Bundesrat auf Gesuch einer ausländischen Regierung die Nichtwiederausfuhr-Erklärung aufheben kann, wenn es um eine Situation geht, die der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als im Widerspruch zum völkerrechtlichen Gewaltverbot deklariert.
Ungemütliche Lage für den Bundesrat
«Dieser zweite Vorschlag verstösst nicht als solches gegen das Neutralitätsrecht», so Schmid. Er lasse dem Bundesrat die Möglichkeit, ihn gleichzeitig auf alle Kriegsparteien anzuwenden. Aber im Anwendungsfall könnte auch dieser Vorschlag Kopfschmerzen bereiten. «Das Problem könnte sein, dass ein anderes Land, welches Schweizer Kriegsmaterial besitzt, dieses Material an Russland weitergeben will. Und dann ist der Bundesrat in einer ungemütlichen Lage. Er muss dann entweder sehr unerwünschten Weitergaben zustimmen oder neutralitätsrechtlich akrobatisch argumentieren.»
Schmid dürfte nicht die Einzige sein, die das so sieht – im Parlament dürften die Vorschläge noch zu reden geben. (sf)