Heute um 12 Uhr endet der Wahlkampf, die Abstimmungslokale schliessen. Und für manche beginnt das grosse Bibbern: Reicht es – oder reicht es nicht? Laut jüngsten Umfragen sind SVP und SP die Gewinner – den Grünen drohen Verluste. Wo es sich lohnt, genauer hinzuschauen, zeigt die SonntagsBlick-Wahlkarte.
1. Bern
Vor vier Jahren triumphierten hier die SP-Frauen. Die Gewerkschafter Corrado Pardini und Adrian Wüthrich wurden abgewählt. Nun siehts für die Männer besser aus. Mit dem ehemaligen Kassensturz-Moderator Ueli Schmezer kandidiert ein bekanntes Gesicht. Matthias Aebischers Bundesratskandidatur verleiht der SP-Männerliste zusätzlichen Schub. Davon profitieren könnte Wüthrich, der ein Comeback in der Grossen Kammer plant. Auf Kosten der SP-Frauen? Tamara Funiciello hat einen entspannten Nachmittag, wenn die Grünen einen Sitz an die SP verlieren – oder Nationalrätin Flavia Wasserfallen den Sprung ins Stöckli locker schafft und den Platz für eine SP-Nachzüglerin freimacht.
2. Basel-Stadt
Die Bevölkerung von Basel-Stadt wächst weniger schnell als die in Zürich – Basel verliert deshalb einen von fünf Sitzen an Zürich. Also droht einer Bisherigen oder einem Bisherigen die Abwahl. Drei Frauen stehen besonders im Fokus: Katja Christ (GLP), Sibel Arslan (Grüne) und Sarah Wyss (SP). Dem Trio einen Sitz abjagen möchte alt Regierungsrat Baschi Dürr, der für die FDP ins Rennen steigt. SP-Mann Mustafa Atici steigerte seine Chancen auf eine Wiederwahl mit einer ebenso so frühen wie aussichtslosen Bundesratskandidatur, die er bald wieder zurückzog.
3. Basel-Land
Die Mitte ist im Aufwind. Das könnte auch Samira Marti in ihrem Kanton Basel-Land gefährlich werden. Eine Abwahl der Sozialdemokratin ist unwahrscheinlich – aber nicht ausgeschlossen. Für Marti, die vor fünf Jahren für Susanne Leutenegger-Oberholzer nachrückte und im Nationalrat bald zur Strippenzieherin wurde, wäre das sehr hart. Und die SP-Fraktion müsste sich eine neue Co-Präsidentin suchen.
4. Schwyz
Petra Gössi will die erste Frau werden, die den Kanton Schwyz im Ständerat vertritt. Die einstige FDP-Präsidentin tritt unter anderem gegen SVP-Nationalrat Pirmin Schwander an.
5. Zürich
Ruedi Noser (FDP) geht – und mehr als zehn Kandidatinnen und Kandidaten wollen ins Stöckli. Nur einer, der schon so gut wie gewählt ist, macht vielleicht seinen Platz frei: Daniel Jositsch (SP), der im Dezember Bundesrat werden möchte. Klarheit wird am 19. November wohl erst ein zweiter Wahlgang schaffen. In der Pole-Position für Nosers Sitz steht derzeit: Gregor Rutz (SVP), gefolgt von Regine Sauter (FDP), Tiana Angelina Moser (GLP), Philipp Kutter (Mitte) und Daniel Leupi (Grüne). Gestritten wird noch darüber, welche der beiden Öko-Parteien dann das Feld räumen muss. Auf einem Nebenschauplatz: Schaffen es die Corona-Massnahmen-Gegner mit ihrem Spitzenkandidaten und Mass-Voll-Präsidenten Nicola Rimoldi ins Bundeshaus?
6. Aargau
Im Kanton Aargau will die SVP den Ständeratssitz des ausscheidenden Hansjörg Knecht behalten. Richten soll es Benjamin Giezendanner, Sohn von Ulrich Giezendanner. Verhindern wollen das etwa Gabriela Suter (SP) und Marianne Binder (Mitte). Auch hier wird wohl erst in einem zweiten Urnengang entschieden, wer den Aargau an der Seite von FDP-Präsident Thierry Burkart im Stöckli vertreten darf. Spannend ist auch, ob EVP-Präsidentin Lilian Studer die Wiederwahl in den Nationalrat schafft. Sie profitierte vor vier Jahren von einer Listenverbindung mit der damaligen BDP. Gelingt ihr das nun im Bündnis mit der Mitte? Gemäss letzten Umfragen wackelt Studers Sitz gehörig.
7. Tessin
Marco Chiesa geht bei den Wahlen «all in» – und kandidiert nur für den Ständerat. Schafft er es nicht, ist seine politische Karriere beendet – aber er müsste auch nicht länger zwischen Bern und Tessin pendeln, was ihm ohnehin wenig behagt. Ganz unwahrscheinlich ist Chiesas Abwahl nicht. Seinem Vorgänger Filippo Lombardi fehlten 2019 ganze 45 Stimmen. Konkurrenz bekommt der SVP-Präsident von einem Mitte-Mann, der ähnlich rechts politisiert wie er selbst: Fabio Regazzi, Präsident des Schweizerischen Gewerbeverbandes.
8. Waadt
2019 räumten die Grünen bei den nationalen Wahlen ab. Sie erhöhten ihren Wähleranteil um 6,1 Prozentpunkte auf 13,2 Prozent. Wenn sich die Prognosen bewahrheiten, fallen die Grünen diesmal wieder unter die 10-Prozent-Marke. Nirgends droht der Aderlass schmerzhafter auszufallen als in der Romandie. Die spannende Frage ist eigentlich: Wie schlimm wird es wirklich? Die Waadtländer Grünen gewannen bei den letzten Nationalratswahlen zwei Sitze hinzu. Heuer fehlt ihr prominentes Zugpferd, die Ständerätin Adèle Thorens, die nach nur einer Legislatur nicht mehr antritt. Für die Umweltpartei die Kohle aus dem Feuer holen soll jetzt der queere Kandidat Marius Diserens.