Vor vier Jahren schafften die Grünen, was noch keiner Partei gelungen war – sie legten um sechs Prozentpunkte zu. Zugleich erhöhte sich der Frauenanteil schlagartig von 32 auf 42 Prozent. Bei den diesjährigen Wahlen dürfte es parteipolitisch eine Rückkehr zum Courant normal geben, Verschiebungen um ein paar Prozent. Doch was passiert mit dem Frauenanteil?
Falls die Prognosen stimmen – Gewinne für die SVP, Verluste für die Grünen –, hat das Folgen für die Vertretung der Frauen. Denn die SVP hat am wenigsten Politikerinnen auf ihren Wahllisten, während bei den Grünen die Frauen über die Hälfte aller Kandidaten ausmachen. Das hat eine Auswertung von Helvetia ruft! für die Nationalratswahlen ergeben. Die überparteiliche Bewegung setzt sich für mehr Frauen in der Politik ein und hat die Hauptlisten aller Parteien ausgewertet, die im Parlament vertreten sind.
Auch der Frauenstreik hat vor vier Jahren zum hohen Frauenanteil im Nationalrat beigetragen. Kathrin Bertschy (44), Co-Initiantin von Helvetia ruft!, sagt: «Viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben das letzte Mal explizit Frauen gewählt.» Heute würden eher der Ukraine-Krieg oder die Wirtschaftslage im Fokus stehen. Anders gesagt: Der Frauenbonus ist weg.
Dennoch geht GLP-Nationalrätin Bertschy davon aus, dass die Anzahl Nationalrätinnen in etwa gleich bleibt. «Dieses Jahr treten mehr Frauen als Bisherige an, wodurch sich ihre Wahlchancen verbessern.» Zudem hätten manche Parteien bei den Wahllisten Fortschritte gemacht. «Neben Grünen, SP und GLP tritt nun auch die Mitte-Partei fast überall mit ausgewogenen Listen an», sagt Bertschy. Dasselbe gelte für mehrere Sektionen der FDP.
Nicht alle haben Hausaufgaben gmacht
Von allen Parteien achten laut der Auswertung von Helvetia ruft! SP (55 Prozent Frauen) und Grüne (53 Prozent) am stärksten auf gleiche Wahlchancen von Frauen und Männern. Dahinter folgen GLP (49 Prozent) und Mitte (43 Prozent). In der FDP beträgt der Frauenanteil 41 Prozent, in der SVP sind es 25 Prozent.
Bei letzteren beiden hätten viele Kantonalparteien nicht alle ihre Hausaufgaben gemacht, findet Bertschy: «Einzelne Sektionen sind sehr sensibel. Aber vielerorts haben sich in der FDP und SVP bei der Listengestaltung die Männerseilschaften durchgesetzt.»
Bertschy meint Sektionen wie die FDP Luzern, die derzeit einen Nationalrat stellt – und auf deren Wahlliste erst an dritter Stelle eine Frau kommt. Die Präsidentin der FDP Luzern, Jacqueline Theiler, sieht darin kein Problem. «Wir erstellen unsere Listen nach alphabetischer Reihenfolge», sagt sie. «Damit haben alle dieselben Chancen – als liberale Partei bevorzugen wir weder Frauen noch Männer.»
Wählt Frauen!
Man hätte durchaus gerne ein paar Frauen mehr auf der Liste gehabt, sagt Theiler weiter. Solche zu rekrutieren, habe sich aber als schwierig erwiesen. Zudem, fügt die Präsidentin an: «Am Ende entscheidet ohnehin der Wähler oder die Wählerin.»
Das sieht Bertschy ähnlich. Helvetia ruft! plant deshalb einen Aufruf an die Wähler und Wählerinnen. Die Botschaft: Wählt Frauen! Denn, meint Bertschy: «Die Schweiz wird demokratischer, wenn das Parlament die Bevölkerung besser abbildet.»